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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkoetter
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ein paar Wochen Zeit. Ich will versuchen, alles wiedergutzumachen. Danach kannst du immer noch nach Berlin.«
    »Es ist alles geplant. Der Umzug, die Renovierung. Ich kann das nicht einfach so über den Haufen werfen.«
    »Ein paar Wochen nur. Ist das wirklich zu viel verlangt?«
    Marius schwieg.
    »Es ist ein Fehler, Marius. Das weißt du. Berlin und das alles. Aus diesem Holz bist du nicht geschnitzt. Ein Arbeiterbezirk, billige Wohnungen. Vergiss mal die Sozialromantik. Es geht hier nicht darum, auf deinen Skiurlaub zu verzichten. Diese Welt da draußen ist gnadenlos. Du wirst untergehen.«
    Er sagte das ruhig, beinahe mitfühlend. Marius spürte, wie sein Widerstand schwand. Er betrachtete seinen Vater. Plötzlich wurde ihm klar, was hier vor sich ging. Die Freundlichkeit, der ungewohnte Tonfall. Sein Vater kannte ihn gut genug, um seine Schwächen zu erspüren. Er ahnte offenbar, wie sehr sich Marius nach seiner Anerkennung sehnte. Diesen Kampf konnte er nur mit Liebe gewinnen, also gab sein Vater vor, ihn zu lieben. Es war alles Scharade. Eine neue Angriffswelle mit verbesserten Waffen.
    »Es ist ein Fehler, Marius, und das weißt du«, sagte er voller Wärme. »Warum gibst du mir keine Chance, mich zu ändern? Wir gehören doch zusammen.«
    Eine Scharade. Doch diese Erkenntnis beschwor keinen neuen Kampfgeist. Im Gegenteil. Er fühlte sich mit einem Mal unendlich erschöpft.
    »Du kannst dieses Leben da draußen nicht leben, Marius. Dazu bist du zu schwach. Hörst du? Du bist zu schwach.«
    Alles war nur ein Traum. Berlin. Eine Zukunft außerhalb der Firma. Nichts davon würde wahr werden.
    Nathalie. Was würde aus ihrer Liebe werden?
    »Ist es wegen dem Mädchen?«, fragte sein Vater. »Liebst du sie?«
    »Ja«, sagte er heiser. »Das tue ich.«
    »Dann ist es okay. Bring sie mit.«
    »Wie bitte?«
    »Du hast schon richtig gehört. Ich werde dafür sorgen, dass sie von allen respektiert wird. Wir werden sie behandeln wie die Schwiegertochter, die wir uns eigentlich gewünscht hätten. Das verspreche ich dir.«
    Marius begriff, dass er verloren hatte. Gegen dieses Angebot konnte er sich nicht wehren.
    »Ich freue mich, sie kennenzulernen, Marius. Wenn du glaubst, dass sie die Richtige ist, werde ich sie wie eine Tochter aufnehmen.«
    Schweigen. Sein Vater betrachtete ihn.
    »Sind wir uns einig?«, fragte er.
    »Ja«, sagte Marius.
    Ihm war zum Heulen zumute. Sein Vater trat näher und nahm ihn in den Arm. Obwohl ein Teil von ihm wusste, wie vergiftet diese Geste war, klammerte er sich dennoch an ihn. So sehr hatte er sich Nähe zwischen ihnen gewünscht.
    Als sie sich schließlich voneinander lösten, ging Marius zur Beifahrertür und öffnete sie. Es kam ihm ganz natürlich vor, mit seinem Vater nach Hause zu fahren.
    »Nein, Marius. Ich fahre allein. Geh zu ihr.«
    »Wie bitte?«
    »Zu deiner Freundin. Das wolltest du doch.«
    »Ach so.«
    Er schämte sich dafür, Nathalie vergessen zu haben. Zögernd warf er die Tür wieder zu. Blieb etwas verloren auf dem Bürgersteig stehen.
    »Wir sehen uns im Unternehmen«, sagte sein Vater.
    Dann lächelte er, und in diesem Lächeln lag wieder die vertraute Kühle. Er hatte gewonnen. Marius würde zu ihm zurückkehren.
    »Bis bald«, sagte er und stieg in den Wagen.

25
    Keine zwanzig Meter vom Bahnhof entfernt fand sich eine Parklücke. Ein Glückstreffer. Hambrock sah auf die Uhr. Es war erst kurz nach acht, doch die dunklen Regenwolken, die über der Stadt hingen, hatten es frühzeitig dunkeln lassen. Regen prasselte auf das Wagendach. Er hatte keinen Schirm dabei, also schlug er lediglich den Kragen hoch, sprang mit einem Satz aus dem Wagen und hastete zum Bahnhof hinüber, wo noch ein Lebensmittelladen geöffnet hatte.
    Erlend hatte ihn gebeten, auf dem Heimweg einen Becher Crème fraîche zu besorgen. Sie kochte offenbar, wollte aber noch nicht verraten, was. »Wir machen uns bei dem Regenwetter einen gemütlichen Abend zu zweit, Bernhard, was hältst du davon?« Er hielt eine Menge davon, schließlich war aus den freien Tagen nichts geworden, in denen sie viel Zeit miteinander verbringen wollten. So ließ sich wenigstens ein bisschen davon nachholen.
    Der Bahnhof war bereits seit Monaten eine Baustelle. Herausgebrochene Wände, aufgerissene Gehwege, Unterführungen, Umleitungen, notdürftig angebrachte Sperrholzbretter. Wasser plätscherte in die Gänge hinein, ein kalter Wind fuhr durch die Gänge. Die Leute eilten mit griesgrämigen Gesichtern und

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