Landkarten des Lebens
dann praktisch die Ernte der Redaktionsarbeit vieler Kollegen.
Die Frage, was wir dem Zuschauer zumuten wollen, spielt für die Redaktion, insbesondere mit Blick auf oftmals schockierende Bilder, eine große Rolle. Nicht jedes Bild, das wir über unsere Korrespondenten oder die European Broadcasting Union, EBU, die weltgrößte Vereinigung von Sendeanstalten, der wir angehören und über die wir Filmmaterial aus aller Welt beziehen, erhalten, wird auch gesendet. Ich denke zum Beispiel an die Aufnahmen des sterbenden lybischen Diktators Muammar al-Gaddafi. Wir setzen uns im ZDF immer wieder bewusst selbst Grenzen. Und auch ich weiß ganz persönlich, wo für mich Linien sind, die ich nicht überschreiten möchte. Moralisch, ethisch – gewissermaßen auch in Bezug auf meinen christlichen Glauben. Dass ich dabei mit meiner Einschätzung nicht immer richtig liege, versteht sich von selbst. Es kommt darauf an, sich im Team bewusst mit Kernfragen auseinanderzusetzen.
Meinungsvielfalt und journalistische Freiheit sind Grundpfeiler unserer Demokratie. Für mich verbindet sich mit meinem Beruf ein großes Maß an Verantwortung – aber auch an Erfüllung. Nachrichtenmoderatoren und Journalisten sind an vielen Themen nah dran, ohne in den vielfältigen Themenbereichen Experten sein zu können. Damit stoßen wir natürlich auch immer wieder an Grenzen. Nichtsdestotrotz sind tiefgründige Recherchen sowie Überprüfung und Einordnen von Informationen Basis auch meiner täglichen Redaktionsarbeit. Wenn die Nachricht über den Sender geht, stehe ich schließlich für das, was ich recherchiert, formuliert, geprüft und mit den Kollegen diskutiert habe.
Manche Themen lassen sich allerdings in ihrer Differenziertheit oder Subtilität nur schwer fernsehgerecht bearbeiten. Politische Entscheidungen werden ungerne vor laufenden Kameras, sondern vielmehr hinter verschlossenen Türen gefällt und vertrauliche Verhandlungen, beispielsweise über Personalia, werden nicht in der Öffentlichkeit, sondern in den Kreisen der Betroffenen geführt. Insofern ist es häufig nicht ganz einfach, an Informationen zu kommen. Außerdem hat das Medium Fernsehen im Gegensatz zur schreibenden Zunft die Herausforderung, abstrakte Sachverhalte bildlich darzustellen. In Zeitungsberichten lassen sich komplexe Entwicklungen gut schriftlich darstellen, in Kommentaren kann abstrahiert oder auch spekuliert werden. Und auch der Einsatz von Ironie funktioniert hier besser als im Fernsehen. Die Zuschauer fordern gerade in der sich gegenwärtig stark verändernden Medienwelt klare Informationen, Meinungen sollten in Nachrichtensendungen als „Kommentar“ gekennzeichnet werden.
In der immer schneller werdenden, digitalen Welt erfordert hintergründige und tiefsinnige Berichterstattung aber auch die Bereitschaft der Leser, Zuschauer und Zuhörer, oder „user“ (Nutzer digitaler Medienangebote über mobile Geräte und Computer), sich auf Details und komplizierte Zusammenhänge einzulassen. Durch die Veränderungen, die die virtuelle Medienwelt mit sich bringt, verwischen Grenzen. Viele Nutzer kommunizieren und publizieren sogar über virtuelle Plattformen und bringen so ihre eigenen Kompetenzen ein. In diesem Meer an Informationen verlässliche und nachprüfbare Fakten mit einem Wertegerüst, das unserem demokratischen Grundauftrag entspricht, objektiv anzubieten, ist auch Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Systems. Aus verschiedenen Gründen sind aber in Nachrichtensendungen nicht alle Themen, die es eigentlich wert gewesen wären, realisierbar. Dabei spielen auch knappe Sendezeiten oder enge Budgets eine nicht zu unterschätzende Rolle. Was wir auch wählen, etwas anderes muss zurücktreten. In der Beurteilung der Relevanz fällen wir sozusagen Mehrheitsentscheidungen und fragen uns dabei aber immer wieder, ob wir die richtigen Maßstäbe setzen.
Bei alledem muss mit in Betracht gezogen werden, dass es trotz einer Vielzahl moderner Möglichkeiten auch reale Grenzen in der Berichterstattung gibt. Manche Länder verhängen Nachrichtensperren, üben Zensur aus. Vielerorts wird versucht, die Berichterstattung zu kontrollieren oder zu beeinflussen. Gerade über das Internet oder mobile Telefone werden Nachrichteninhalte transportiert, die häufig schwer einzuordnen sind. Deshalb ist es unerlässlich, dass wir alle Internetvideos auf Authentizität und Herkunft prüfen, um unsere Berichterstattung so neutral wie möglich zu halten. Und auch wenn es um
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