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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Si-
    cherheit zu sein, war es ein Probealarm, ein gespielter, und
    wenn ein Flugzeug über ihren Köpfen dröhnte und er mit
    Herzklopfen daraufwartete, dass die Bombe fiel, dann war
    es natürlich eins von unseren Flugzeugen, und es fiel kei-
    ne Bombe. Aber wieso hätten Tojo und Hitler auch Wil-
    low bombardieren wollen? Wegen der einen kleinen Fall-
    schirmfabrik?

    Am Sonntagnachmittag machten seine Eltern immer einen
    Spaziergang; Jahrzehnte mussten vergehen, bevor Owen
    verstand, dass diese Gewohnheit ihre einzige Gelegenheit
    war, sich als junges Paar zu zeigen und dem Haus zu ent-
    fliehen, das nicht ihres war. Aber er, ihr Kind, war ihres,
    und sie zogen ihn mit sich, obwohl schon die Aussicht ihm
    die Beine schwer machte und er immer weiter zurückblieb,
    bis sein Vater schließlich zurückkam und ihn auf die Schul-
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    tern nahm. Es war ein komisches Gefühl, so hoch oben,
    und der Kopf seines Vaters kam ihm seltsam groß und haa-
    rig vor, sodass er nach einer Weile glücklich war, wieder auf
    die Erde zurückzukehren und auf den eigenen Beinen zu
    stehen.
    Es gab verschiedene Routen für den Spaziergang. Die
    eine bestand darin, dass man links in den namenlosen Weg
    hinter ihrer Hecke einbog, die Alton Avenue überquerte,
    durch den neueren Teil von Willow ging und den Shale
    Hill erklomm. Am Fuße des Hügels waren Victory-Gärten,
    aber auf der Höhe schlängelten sich die Wege zwischen
    Kiefern und flachen Felsen hindurch, die ihn an rutschen-
    de Stapel im Regen dunkel gewordener, zerknitterter Zei-
    tungen erinnerten. Von dort oben konnte man die ganze
    Stadt überblicken: Der neueste Teil war am nächsten, an
    den geschwungenen Straßen standen Platanen und Pap-
    peln, dahinter war ein älterer, in Rechtecke gegliederter
    Teil mit dunkler und dichter belaubtem Spitzahorn, und
    jenseits der Alton Pike erstreckte sich der älteste, süd-
    lichste Teil. Die Mifflin Avenue, auf beiden Seiten von
    hohen Rosskastanien bestanden, war deutlich sichtbar. Er
    sah sein eigenes Haus – das Haus seines Großvaters –, die
    Backsteinmauern vanillegelb und die Holzteile petersilien-
    grün gestrichen, und wie sich die Mifflin Avenue im fer-
    nen Dunst als Landstraße durch die Blake Farm wand und
    nach Philadelphia strebte – wie der Fluss, der glitzernd in
    die gleiche Richtung floss. Die Aussicht interessierte seine
    Mutter jedes Mal, aber Owen war sie nur zwei Sekunden
    wert. Was konnte man mit einer Aussicht anfangen? Er hät-
    te lieber einen Stock

    gefunden und versucht, Kieselsteine
    zu schlagen wie einen Baseball.
    Wenn sie dagegen unter den Weinranken neben der Ve-

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    randa durchgingen und über den Ziegelsteinweg, an dem
    Stiefmütterchenbeet vorbei, zu der Lücke in der Hecke,
    konnten sie in die andere Richtung gehen, nach rechts,
    und die Mifflin Avenue hinauf, vorbei an dem Gespenster-
    haus der Hoffmans und Buddy Rourkes traurigem Miets-
    haus, an der Stelle, wo die Scheune der Bakers abgebrannt
    war, vorbei an den stinkenden Schweinekoben und einge-
    zäunten Kuhweiden an dem Creek, der da, wo er langsam
    floss, grün war von Brunnenkresse, die Grammy manchmal
    pflückte, und zu einer Straße, die zum Cedar Top hinauf-
    führte, dem Shale Hill gegenüber, auf der anderen Seite
    des Tals, in dem Willow lag.
    Jenseits der Stadtgrenze kletterte die Straße bergauf.
    Rostende Autos standen vor ungestrichenen Häusern in
    den abschüssigen Vorgärten, und struppige Hunde bellten
    und bellten, wenn die drei Mackenzies vorbei trotteten.
    Dann kam ein Stück Wald und danach eine Kreuzung auf
    der Kuppe, wo ein verlassener Dairy-Queen-Eiskremwa-
    gen stand. Er hatte nie erfahren, wohin die anderen bei-
    den Straßen führten – die eine geradeaus, die andere nach
    links. Seine Eltern wandten sich nach rechts und gingen
    bergab, durch ein weiteres Waldstück und an der mit Me-
    tallspitzen bewehrten Sandsteinmauer des Pomeroy-An-
    wesens vorbei. Ein paarmal hörte Owen das Geräusch hin-
    und hergeschlagener Tennisbälle und das Plätschern von
    einem Swimmingpool, doch gewöhnlich schien niemand
    zu Hause zu sein. Das Leben der Reichen war schwer vor-
    stellbar, es bestand zu einem großen Teil daraus, nicht zu
    Hause zu sein. Auf der anderen Straßenseite, am oberen
    Rand von Willow, rückte der Friedhof in den Blick, mit sei-
    nen Granitsteinen, blassrosa und blassgrau, kantig und kahl
    im Sonnenlicht.
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    Die Straße, die weiter bergab führte, wurde zur Washing-
    ton Street, in der die

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