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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Hauptgebäudes etwas Heroisches: Es
    bestand aus einer Reihe durch Übergänge miteinander ver-
    bundener Gebäude, von denen jedes Segment nicht unter
    einem Namen, sondern unter einer Zahl bekannt war. Der
    Haupteingang, Nummer 77 Massachusetts Avenue, führt
    in das Gebäude 7, wo sechs große Säulen und eine innen
    umlaufende Inschrift INDUSTRY, THE ARTS, AGRICULTURE,
    AND COMMERCE die kalksteinerne Kuppel hielten. Das
    legendäre Gebäude Nummer 20, der «Sperrholz-Palast»
    auf der Vassar Street, hatte die geheimen Radar-Forschun-
    gen abgeschirmt, mit deren Hilfe, so hieß es, der Zweite
    Weltkrieg gewonnen worden war. Verdeckte Zuströme von
    Geld vom Staat und aus der Industrie machten die wissen-
    schaftliche Intelligenz auch dem Kalten Krieg dienstbar.
    Im Analyse-Zentrum und dem Labor für digitale Compu-
    ter – Räume, voll gestellt mit Reihen von Schränken voller
    Drähte und Vakuumröhren, in die Lochkarten eingeführt
    wurden – waren nach unter Studenten kreisenden Gerüch-
    ten alle Radarstationen rings um die Vereinigten Staaten
    miteinander verbunden, und elektrische Schaltkreise be-
    rechneten Raketenflugbahnen, die einhundert Gelehrte
    in einhundert Jahren nicht mit ihren Bleistiften hätten be-
    rechnen können.
    Das MIT war eine Männerwelt, die Verwalter und Leh-
    renden waren ausschließlich Männer, und etliche von ih-
    nen waren Militärs. Obwohl die große Nachkriegswelle
    von Veteranen langsam verebbte, waren Uniformen auf

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    dem Campus noch ein gewohnter Anblick. Von den sechs-
    tausend Studenten waren lediglich einhundertzwanzig
    Frauen, und die Hälfte von ihnen waren Doktorandinnen.
    Phyllis Goodhue stach also als Angehörige einer deutlichen
    Minderheit von fünfzig zu eins hervor in den endlosen
    Korridoren – bräunliche Terrazzofußböden und Milchglas-
    türen, alle streng mit schwarzen Zahlen nummeriert, sogar
    die Toiletten der Frauen: 3-101-FRAUEN. Und noch mehr
    fiel sie im Frühling unter den Sonnenbadenden im Great
    Court ins Auge, einer zwischen den Gebäuden 3 und 4
    gelegenen großen, geschützten Rasenanlage, von der aus
    man auf den neuen Abschnitt des Memorial Drive blick-
    te, auf die doppelte Reihe von Platanen und, in den Zwi-
    schenräumen, den glitzernden, verspielten Charles River
    und die rötlichen, niedrigen Konturen von Back Bay. Die
    meisten Studentinnen waren nicht reizend – sie waren ehr-
    geizige Streberinnen, die Figur und Teint vernachlässigten
    und mit gesenktem Kopf durch die Flure gingen, wobei sie
    sich gegen den Strom stemmten und versuchten, zwischen
    den Jungen nicht beachtet zu werden – und Owen musste
    Phyllis zweimal ansehen, um sich zu bestätigen, dass sie es
    war: Sie war reizend.
    Richtig oder falsch? War zweimal nötig? Nein: Von An-
    fang an, in dem vom Fluss gekühlten, schlaflosen und un-
    glücklichen ersten Jahr, in dem sein Kopf mit Unmengen
    von Grundwissen wie Einführung in die Schaltkreis-Theo-
    rie voll gestopft wurde (die Kirchhoffschen Regeln und
    die Lehrsätze Thévenins und Nortons, Stufenfunktionen
    und Impulsübertragung, Resonanz-Phänomene und kon-
    jugiert-komplexe Widerstände), änderte sich sein eigenes
    elektromagnetisches Umfeld jedes Mal, wenn er in dem
    Gedränge der Korridore an Phyllis vorbeikam, und zwar
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    um einen Wert, der so subtil und so wesentlich war wie der
    Unterschied zwischen dΦ und dτ. Er verspürte eine Taub-
    heit, die nur sie erzeugte. Ihre Gegenwart verwandelte die
    sonderbar geformten, zementierten Flächen zwischen den
    Gebäuden westlich der Subway-Station Kendall Square, wo
    verschlafene Studenten bei Klatsch und Zigaretten herum-
    standen; wie Ginger Bitting hatte auch diese Erscheinung
    Satelliten, ein paar andere Mädchen, aber, in dieser Umge-
    bung unvermeidlich, hauptsächlich Jungen. Owens Augen
    platzierten sie im Mittelpunkt dieser Runde, obwohl sie
    in Wahrheit nie dominierend wirkte. In einem lärmenden
    Schwärm stand sie am Rand und schien auf zurückhalten-
    de Art belustigt; nie lachte sie am lautesten. Sie hatte eine
    helle, aber klare, tragende Stimme – er konnte sie hören,
    lange bevor er sie sah – und vorsichtige Gesten, gezügelt
    von dem Widerstreben, sich in den Vordergrund zu spielen,
    was ihn anrührte und kühn machte. Wenn er sie aus der
    Ferne beo achtete,
    b
    war ihre Blässe ein e
    L uchtfeuer, eine
    gesendete Resonanz.
    Das Kinn leicht vorgeschoben, hielt sie den Kopf sehr
    aufrecht auf einem langen Hals. Ihr glattes Haar, von

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