Landleben
dem
gemischten Blond halbfeuchten Sandes, war im Nacken
mit einem dicken Gummiband zu einem Pferdeschwanz
zusammengefasst. Über die Stirn fiel ein Pony bis zu ih-
ren blassen Augenbrauen, die sich ihrem Teint anpassten:
ihre Augenbrauen und Augenwimpern waren fast unsicht-
bar. Sie trug kein Make-up, nicht einmal Lippenstift, und
rauchte mit schmollendem Mund: Die Wangen tief einge-
fallen, wenn sie inhalierte, und wenn sie den Rauch aus-
blies, seitlich aus dem Mund nach oben, tat sie es mit einer
gewissen unwirschen Vehemenz. In ihrer lässigen, dürftig
bekleideten Pracht (den ganzen Winter über derselbe tau-
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bengraue Tuchmantel, dieselben schmutzigen Tennisschu-
he) wurde sie für ihn der Inbegriff von Cambridge – distan-
ziert, stoisch, entrückt, rein. Und er fand heraus, dass sie
tatsächlich die Tochter eines Professors war. Ihr Vater war
Eustace Goodhue, Biograph des Dichters und Geistlichen
George Herbert, Herausgeber kommentierter Ausgaben
der metaphysischen Dichter und Dozent für englische
Literatur an jenem anderen Ort, der Universität flussauf-
wärts, wo noch immer die Geisteswissenschaften, wie sie
aus puritanischen theologischen Studien hervorgegangen
waren, herrschten und die Naturwissens
t
chaf en den Arbei-
terbienen der Welt überließen.
Ihr distinguierter Status als Tochter war Teil der Wir-
kung, die sie hervorrief – absichtlich hervorrief, wie er
glaubte. Sie war wie er, so empfand er: schüchtern, aber mit
der Umsicht eines Menschen, der ein stolzes Ego bewahrt.
Sie war überdurchschnittlich groß, und sie ging krumm,
als wollte sie ihren Busen kleiner machen, dessen Fülle
auch ihre unschicken Winterhüllen nicht ganz kaschierten.
Noch weniger war er kaschiert, wenn sie an heißen Herbst-
tagen und dann wieder in sonnigen Momenten im April
und Mai den langen grauen Mantel ablegte, in dem sie wie
ein schlanker Portier oder ein Militärattache aussah, und
mitten im Great Court ausgestreckt auf einer Decke lag,
den Rock halb über die Oberschenkel zurückgestreift und
den Pullover oder die Bluse runtergeschoben bis zu ihrem
B
i
ikin -Oberteil oder Büstenhalter (aus seiner Ent
n
fer ung
konnt
e
e er s nicht genau erkennen).
Sie glich keinem der Mädchen aus Pennsylvania, auch
nicht den Luxusgeschöpfen von der Main Line. Elsie Sei-
del, seine Freundin auf der Highschool, die Tochter eines
Futtermittel- und Eisenwarenhändlers, war immer schick
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aufgemacht, mit blank polierten Mokassins und gerippten
Kniestrümpfen, mit schwingenden Röcken und breiten
Gürteln im New-Look-Stil und Schildpattspangen, die in
den wippenden Locken ihres hellbraunen Haars schim-
merten. Und sie benutzte viel Lippenstift, kastanienbrau-
nen Lippenstift, der auf Fotografien schwarz aussah und
sich an seinem Mund abrieb, sodass es hinterher brannte,
wenn er ihn mit Spucke auf dem Taschentuch abwischte.
Er wollte nicht, dass seine Mutter es sah; seine Mutter
wollte nicht, dass er überhaupt mit Elsie ging, obwohl sie
ein Mädchen aus angesehener Familie war, angesehener
im Ort als die Mackenzies, die neu Hinzugezogene in die-
sem County und in diesem Schulbezirk waren. Der Bezirk
umfasste mehrere Täler, und es gehörten Familien dazu,
deren erste Sprache noch immer das Pennsylvania Dutch
war. Elsie selbst sprach mit einem «Dutchy»-Einschlag
und langsamer als die anderen Mädchen in Willow – ihre
Stimme schien älter als sie selbst.
Sie hatte eine ländliche Schlichtheit an sich, einen wohl-
genährten Glanz. Als sie sich das erste Mal küssten, in der
Tanzpause bei einem Ball, zu dem Owen gegangen war,
weil seine Mutter ihn gedrängt hatte, weniger hochmütig
gegenüber der Highschool der Region zu sein, auch wenn
es nicht die Highschool von Willow war, drängte Elsie
nicht angestrengt mit dem Mund, wie Alice Stottlemeyer
es beim Flaschendrehen getan hatte, sondern ließ ihre Lip-
pen irgendwie mit seinen verschmelzen, an dieser warmen
feuchten Stelle, wo ihre Körper sich verbanden. Sie war
klein, in ihrem verschwitzten Taft-Tanzkleid, und er, mit
siebzehn schon ein Meter achtzig groß, seit kurzem Erbe
der Schlaksigkeit der Mackenzies. Sie musste ihn zu sich
herunter ziehen, damit sein Gesicht auf einer Höhe mit ih-
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rem blieb; sie wollte noch mehr küssen, dort, hinter dem
kaputten Coca-Cola-Automaten, wo die Leuchtstoffröhre
an der Decke flackerte. Ihr erwartungsvoller kleiner Kör-
per schmiegte sich
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