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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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an seinen; er musste daran denken, dass
    Carol Wisniewski sich, wie er gehört hatte, in dem engen
    Gang zwischen der Recreation Hall und der Strumpfwa-
    renfabrik von Marty
    i
    Naftz
    e
    ng r im Stehen hatte ficken las-
    sen, und sah, dass es möglich war.
    Nicht dass er und Elsie je – um es mit einem Wort zu
    sagen, das sie untereinander nie benutzten – gefickt hät-
    ten. Er war dazu zu klug, zu sehr darauf bedacht, nicht das
    einzige Leben, das er hatte, zu vergeuden. Er wusste, dass
    Ficken zum Heiraten führte, und dazu war er noch nicht
    bereit. In der Hitze und dem Drängen jenes ersten Kusses
    wurde ihm klar, dass sie ein Auge auf ihn geworfen hatte,
    wie man so sagte – er war ein exotischer, distanzierter Neu-
    zugang in der Schule, und irgendwie hatte sich die Vorstel-
    lung von ihm erregend in Elsies Kopf eingeschlichen. Und
    so gab es zwischen ihnen immer dieses schiefe Verhältnis,
    dieses Ungleichgewicht: Sie hatte ihn begehrt, bevor er
    wusste, was los war. Dennoch reagierte er; er liebte sie in
    dem Maße, in dem es ihm gelang, die Peinlichkeit, dass sie
    nicht aus Willow war, abzuschütteln. In ihren schwingen-
    den Röcken n
    u d weißen Söckchen war sie lediglich eine
    Kopie, die Tochter eines Futtermittelhändlers.
    Später sollte er Elsie immer mit dem Innern eines Autos
    assoziieren – dem stumpfen Velours, den kleinen schwa-
    chen Lichtern am Armaturenbrett, den Gummimatten auf
    dem Boden und den kalten metallischen Flächen. Kalt nur
    am Anfang: Nachdem sie einen Abend lang herumgefahren
    waren, machte die Heizung das Auto zu einem gemütlichen
    Eckchen im Dunkeln. Für ihre Treffen nahmen sie den
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    stickigen Vorkriegs-Chevy seiner Eltern, den Gebraucht-
    wagen, den die Mackenzies im Zusammenhang mit ihrem
    Umzug in das Haus auf dem Lande gekauft hatten. Sein
    Vater war im Allgemeinen bis sechs aus Norristown zurück,
    und Owen wurde der Wagen für das benzingetriebene Her-
    umstreunen überlassen, das nach allgemeiner amerikani-
    scher Überzeugung ein Anrecht der Teenager ist.
    Ehe er mit Elsie ging, fuhr er manchmal noch nach Wil-
    low und suchte dort nach gemeinsamem Spiel mit seinen
    alten Freunden, fand es aber selten. Jetzt sah er Willow,
    das er mit zwölf Jahren verlassen hatte, mit den Augen ei-
    nes Exilanten, als kleines Provinznest, wo das Leben – das
    gesellige Leben seiner früheren Klassenkameraden, der
    Meute Halbwüchsiger auf dem Spielplatz – ohne ihn wei-
    terging, ungesehen: eine verlassene Kleinstadt. Am Hüh-
    nerhaus seines Großvaters fielen ein paar Asbestplatten ab,
    wie er sah, als er die schmale Gasse, die sich um ihr frühe-
    res Haus wand, entlangfuhr. Nein, er war sich nicht sicher,
    dass er glücklich gewesen wäre, hätte seine Familie bleiben
    können. In der Jugend werden die Karten neu gemischt.
    Als Kind war er mehr Zuschauer gewesen als handelnde
    Person, geschätzt in erster Linie als treuer Anhänger, als
    Bewunderer – von Buddy Rourke, von den Mädchen, die
    er sich kaum nackt vorzustellen wagte.
    Jetzt, mit Elsie im Wagen, musste er sich mit echter
    Nacktheit beschäftigen. Anfangs nur Küssen, immerfort,
    mit geschlossenen Augen, um hinter versiegelten Lidern
    eine Flut anderer Empfindungen zuzulassen, eine Erwei-
    terung des Bewusstseins in ein salziges, parfümiertes Ge-
    biet, ganz anders als der heimliche Sprung Hals über Kopf
    der Masturbation. In der dunklen Abgeschiedenheit zwi-
    schen kühlen Laken, wenn das Gemurmel seiner Eltern

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    verstummt war, kam es ihm ein paar Sekunden lang so vor,
    als stünde er auf dem Kopf, nachdem er mit seiner linken
    Hand einen zuverlässigen Mechanismus von unglaublicher
    Süße entdeckt hatte, eine erstaunliche Erleichterung, einen
    Griff, der das Neue fest umschloss und ihn in die Kindheit
    zurückversetzte, die Zeit, bevor Erinnerungen die Glück-
    seligkeit des Seins überlagerten. In dieses private Dunkel
    war ein anderer gekommen, ein anderer Suchender, und
    was gefunden wurde, unbeholfen, aber unaufhaltsam, war
    ein von einem anderen Bewusstsein erforschtes inneres
    Selbst. Elsie war beides, Beobachterin und Beobachtete.
    Ihre Augen hatten die Färbung des feuchten Honigbrauns
    von Hustenkaramellen. In dem spärlichen Licht, das durch
    die Windschutzscheibe einfiel, sah er die dunklen Ker-
    ben ihrer Grübchen, wenn sie lächelte, und von der Seite
    her das Glitzern ihres einen Augapfels, wenn sie ihn über
    eine Lücke hinweg musterte, die sich in Sekundenschnel-
    le schloss. Auf

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