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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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zurückgewiesen. Er wagte kaum zu fra-
    gen, warum sie das getan hatte – warum sie sein Schmei-
    cheln, seine stolze Anbetung verworfen hatte. «Was war
    denn?», fragte er. «Hat es wehgetan?»
    «Es fühlte sich plötzlich komisch an», sagte Phyllis.
    «Kitzlig. Theatralisch. Als wolltest du vor jemandem ange-
    ben. Lass es uns einfach machen.»
    «Möchtest du wirklich? Wir müssen nicht. Ich kann war-
    ten, bis du es möchtest. Vielleicht morgen, wenn wir nicht
    so müde sind und so aufgekratzt von all den Leuten. Hoch-
    zeiten bringen einen um, findest du nicht?» Sie waren in
    einem Sommerhaus, dem Sommerhaus in Truro, das ihre
    Eltern ihnen für eine Woche überlassen hatten. Er hatte
    sein Studium als einer im oberen Drittel seines Jahrgangs
    abgeschlossen; sie hatte ein unglückliches Jahr als Gradu-
    ierte zugebracht und halbherzig Seminare für Fortgeschrit-
    tene in Zahlentheorie und Topologie belegt und nach ei-
    nem Thema für eine Doktorarbeit herumgesucht und war
    mit ihrem Berater nicht zurechtgekommen. Im Sommer
    wollten sie wieder nach Cambridge gehen, sie, um an der
    Sommerakademie ein paar weitere Scheine zu erwerben,
    er, um ein achtwöchiges Praktikum bei Whirlwind zu ma-
    chen, das ihm vom Fachbereich Elektrotechnik ermöglicht

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    worden war. In der Ferne konnten sie das Heranbranden
    und Zurückweichen der Wellen am Strand, unten an den
    sandigen Kliffs, hören und den Duft der gedrungenen
    Pechkiefern einatmen. Das Geräusch und der Geruch,
    beides immer da, einerlei ob sie da waren oder nicht, ver-
    lieh dem Dunkel draußen eine Unermesslichkeit, die ihre
    frisch verbundenen Leben nie ausfüllen konnten. «Warum
    erwartet man, dass jeder Champagner mag?», fragte er, ein-
    ge h
    sc

    üchtert von ihrem Schweigen. «Ich finde i m
    m
    ,
    er er
    schmeckt sauer.»
    Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten, er sah
    nur die fein geschwungene Linie ihres Kiefers und die Ian-
    ge Sehne in ihrem Nacken, als sie den Kopf zum Fenster
    wandte. Ein Dreiviertelmond wurde von dem Fenster-
    rahmen umgeben und zerteilt; sein Licht beschien den
    Rand eines Ohrläppchens in der tiefdunklen Masse ih-
    res Haars. Was machte Phyllis mit ihrem reglosen Blick?
    Nahm sie Abschied vom Mond? Dieses kleine karge Haus,
    ihm fremd, war für sie voller Sommererinnerungen an ihre
    Mädchenzeit und voller kurioser Andenken – Bücher,
    Muscheln, unbeholfene Aquarelle, die in ihren Kaufhaus-
    rahmen verblichen –, an ein vergangenes Familienleben.
    Die salzigen, muffigen Gerüche des Hauses mussten in ih-
    rem Kopf murmelnd eine eigene Sprache sprechen. Noch
    kniend, besessen von den Privilegien eines Ehemannes,
    das Gehirn ohne Saft, weil all sein Blut in seinen erigierten
    Penis geflohen war, besah er ihre schimmernde, vom Mond
    beschienene Üppigkeit – die Halbrundungen ihrer harten
    Schultern und das Schlüsselbein, das über die schrägen
    Schattenvertiefungen hinausragte, und ihre Brüste, flach
    auf dem fragilen Muster ihrer Rippen. Sie drehte den Kopf
    und sah ihn an.

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    «Nein, lass es uns machen», sagte sie, jetzt mit sanfterer
    Stimme. «Warum gegen die Tr
    toßen?»
    adition vers
    «Hast du gesagt: die Tradition stoßen?»
    «Das ist nicht lustig, Owen.»
    In ihm verstärkte sich der Eindruck, dass er auf ein We-
    sen hinunterblickte, das irgendwie tödlich getroffen war.
    Die schwachen Mond schatten der Fensterstreben warfen
    ein Netz über ihre weiße Gestalt. Ihre tief liegenden Au-
    gen schienen nicht zu sehen. Sein armer Schwanz, so hart,
    dass es wehtat, verbreitete einen kleinen ängstlichen Ge-
    ruch. Dann schwebte eine weiße Hand von ihrer Seite, fuhr
    leicht, wie prüfend, über die Glans und den Schaft seines
    Penis. Sie zog die Knie an und nahm genau die Stellung
    ein, die in die Rückwand des Schuppens auf dem Spielfeld
    eingeritzt war, und führte ihn, fast lässig und mit kühlen
    Fingerspitzen, in sich hinein. Er stieß auf ein Hindernis
    und stieß hindurch. Was er nicht erwartet hatte – es tat ihm
    so weh wie ihr. Er kam zum Ende, und es war nicht klar,
    ob sie überhaupt schon begonnen hatte. Ihre schleimige
    Wärme hatte ihn versengt. Wie einst im Bett seiner Jugend
    hatte er das Gefühl gehabt, dass seine innere Welt einen
    Salto machte, das Gefühl weniger rein und heftig, als wenn
    er es mit seiner linken Hand hervorbrachte. Phyllis hatte
    sich ergeben, und das war ein Anfang. Alle Anspannung
    war aus seinen Muskeln gewichen, und er fragte sich stau-
    nend, wie

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