Landleben
womit er demon-
strierte, dass er mit höheren Dingen beschäftigt war. Elsie
Seidels Vater war mit einem zu zahnreichen Lächeln unter
dem kleinen Ganovenbärtchen durch seine Futtermittel-
und Eisenwarenhandlung gestürmt und hatte Owen mit
einem zu kräftigen und freundlichen Handschlag begrüßt,
der Feindseligkeit signalisierte und männliches Wissen
von dem, was Owen sich von seiner blühenden Tochter er-
sehnte. Eustace Goodhues Vorgehen war weit weniger auf
Konfrontation bedacht, es war kaum ein Vorgehen – mehr
eine liebenswürdig verwirrte Miene wie die eines Mannes,
der mit verstopfter Nase in einem Gewächshaus arbeitet
und nicht versteht, wieso all die Hummeln ans Glas flie-
gen. Phyllis hatte schon früher männliche Besucher ange-
zogen; ihrem Vater schien nicht bewusst, dass sie, gegen
Ende ihrer College-Laufbahn und angesichts der äußerst
begrenzten Aussichten für eine weibliche Mathematikerin,
ein Alter erreicht hatte, wo sie eine Entscheidung treffen
und ein ewiges Gelöbnis ablegen musste. Dieses Alter
wurde in Eisenhowers Amerika früh erreicht; die Frauen
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bekamen Kinder, als müssten sie eine Front beliefern, in
dieser Pionierzeit des Konsums. Wenn man eine Familie
gründete, Kinder bekam und einkaufte, versetzte man
damit unserem Feind, diesen hölzernen, repressiven An-
tikapitalisten hinter dem Eisernen Vorhang, einen Schlag.
Owen war bereit zu dienen, überzeugt, dass er die richtige
Frau gefunden hatte – die Mutter seiner Kinder, die För-
derin seiner beruflichen Laufbahn, den Engel, der einem
Haus vorstand, das besser ausgestattet sein würde als die
heruntergekommenen Unterkünfte, wie sie die Rauschs
und die Mackenzies sich in magereren, weniger elektroni-
schen Zeiten hatten leisten können.
Owen verachtete Professor Goodhue eher dafür, dass er
seinen Schatz nicht feuriger verteidigte. In den über zwan-
zig Jahren, in denen er und der Mann Angehörige derselben
Familie waren und der ältere jeweils in perfekter Gleichzei-
tigkeit Großvater wurde, wie der jüngere wiederholt Vater
wurde, kam während der ersten zehn nur wenig Achtung
in Owen auf, der als Schwiegersohn die schattenhafte, ver-
hätschelte Rolle, die der Professor in seinem eigenen Haus
spielte, nun in vollem Umfang wahrnahm. Gewiss, letzten
Endes beruhten das Gewicht der Bücher und die eklek-
tischen, pittoresken Möbel auf der intellektuellen Arbeit
dieses Mannes, die zudem der Welt ein Sommerhaus in
Truro und alle zwei Jahre eine Reise nach Europa abgerun-
gen hatte. Doch schien er zu sehr in der Welt der Bücher,
in deren Vorstellungen und Fiktionen zu weilen, als a
d ss er
große Wirkung auf die reale Welt hätte haben können.
Im zweiten Jahrzehnt dieser engen Bekanntschaft konn-
te Owen, dessen Wissen von der Welt sich vertieft hatte,
den geschickten Rückzug seines Schwiegervaters aus der
Frontlinie des Familienlebens besser würdigen, ebenso
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die gelehrte Leidenschaft, die so viele Vorlesungen und
sorgfältig überlegte kleine Aufsätze hervorgebracht hat-
te, zunächst in den beigefarbenen Heften akademischer
Vierteljahresschriften und anschließend gesammelt in den
dicken, keuschen Bänden derselben Universitätsverlage,
die auch mehrere Anthologien des Professors und seine
kritische Biographie George Herberts herausgebracht hat-
ten. Diese Jahre, in denen Eustace Goodhue von der Mitte
des Lebens zur Pensionierung voranschritt, bewirkten nur
wenig Veränderungen bei ihm, aber große Veränderungen
bei Owen, der sich vom naiven Jüngling zum reifen, er-
fahrenen Mann mittleren Alters entwickelte. Sie wurden
zwei mehr oder weniger ebenbürtige Männer und hatten
die wohltuende Zuneigung von Menschen füreinander,
die gemeinsam eine gefahrliche Reise überstanden haben.
Owen, selbst Vater zweier Töchter, sah schließlich, wie sehr
die Bindung – durch Biologie und kleinstädtische Weisheit
der Menschheit – geschwächt wird: Jede Zelle im Körper
des alternden Vaters wünscht sich sehnliehst, die Tochter
einem anderen Mann anzuvertrauen, einem Mann ihrer
Generation, der, ohne Tabus zu verletzen, die elementaren
Akte vollziehen kann, wie sie der Kreislauf der Generatio-
nen verlangt.
In Professor Goodhues’ geistesabwesender Gefälligkeit
lag etwas, das zu jener Zeit von deren Nutznießer nur un-
deutlich wahrgenommen wurde – der zweifelhafte Spaß
an den sexuellen Transaktionen anderer, ein polymorphes
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