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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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viele Male in der Zukunft sie das zusammen ma-
    chen würden, jedes Mal besser , beide w n
    e iger unbeholfen
    und scheu.
    Im Badezimmer drückte ein harziger, salziger Geruch
    auf das Fliegengitter am Fenster: Die Bäume wuchsen un-
    mittelbar davor, lebendig, atmend, Zwergeichen und Lor-
    beerbüsche wie auch die Pechkiefern. Er wusch sich Blut

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    und Samen von den Genitalien und rief von dem hellen
    Badezimmer in die Dunkelheit: «Was sollen wir mit dem
    Laken machen?»
    «Hast du’s nicht gemerkt? Ich hatte mir ein Handtuch
    unter die Hüften gelegt.»
    «O mein Gott, nein, das hab ich nicht bemerkt», sagte
    er, überwältigt von Zärtlichkeit, als ob dieser Beweis ihres
    ruhigen Überlegens und Vorsorgens Phyllis weit mehr für
    ihn öffnete als das Ficken. Er beeilte sich, wieder zu ihr zu
    kommen, das Handtuch mit eigenen Augen zu sehen, es zu
    einer Art Reliquie zu machen. Andere – Hank, Jake – hät-
    ten eine solche Reliquie heiß begehrt. Phyllis lag immer
    noch in der Stellung der Zeichnung an der Schuppenwand,
    in der obszönen M-Gestalt, und sah wieder zum Mond hin-
    aus. Vielleicht selbst halb benommen, hob sie die Hüften
    an, sodass er das befleckte Handtuch unter ihr wegziehen
    konnte, und er küsste das Frottee, drückte sein Gesicht hin-
    ein, in den schwindenden Widerspruch von Fleisch und
    Blut.
    «Owen, also wirklich», sagte sie. Sie schwang ihre nack-
    ten Beine an ihm vorbei, setzte die Füße auf den Boden
    und nahm das weiße Handtuch mit ins Badezimmer. «Ich
    wasche alles raus», verkündete sie. Als sie aus dem Bad
    kam, trug sie ein gepunktetes Wollnachthemd, und er
    war noch nackt, kniete neben dem Bett und presste sein
    Gesicht in die verbliebene Wärme der Kuhle, wo sie sei-
    ne Frau geworden, wo sie entjungfert worden war. Sie ließ
    ihn fühlen, wie töricht und theatralisch es war, dass er dies
    zu einem religiösen Moment machen wollte. Unter ihrem
    Nachthemd trug sie, wie er entdeckte, eine Unterhose mit
    einer Binde im Schritt.
    In dem Zimmer ihres Bruders hatte sich Owen im vergan-
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    genen Jahr manchmal von ihrem Gerangel am Rande des
    Geschlechtsverkehrs entfernt und aus dem Gaubenfenster
    geguckt, auf das schwindlig machende Auf und Ab der Dä-
    cher von Cambridge und auf die schmalen Gärten hinter
    den Häusern mit ihren rostigen Grillgeräten auf kleinen
    Backsteinterrassen oder angebauten Holzveranden, und
    er hatte die gemeinschaftliche Stärke gespürt, den kollek-
    tiven Stolz. Er war privilegiert, diesen erhabenen Zugang
    zu der hölzernen Stadtlandschaft zu haben – so viele reich
    gefüllte herrschaftliche Wohnhäuser, erbaut auf dem Fleiß
    Denkender und Gelehrter. Auf dem Weg über eine der
    dazugehörenden jungen Frauen hatte er sich einen Platz
    darin erworben, einen Platz am Goodhues’schen Mahagoni-
    esstisch, wo man mit dürrem Klatsch und, in diesen Tagen
    des bösen Joe McCarthy und des sorglosen Ike, mit libe-
    raler Empörung verköstigt wurde. Doch Owen fühlte sich
    keineswegs voll dazugehörig – er war praktisch, das hatte
    Phyllis von Anfang an gespürt, und im Vergleich zu ihrem
    Vater ungeschliffen. Es war ein bestimmtes Ethos, das sich
    in diesen mit Gauben besetzten Dächern ausdrückte, in
    diesen unzähligen goldenen Fenstern, die Einblick ge-
    währten auf voll gestellte Bücherregale, verblichene Per-
    serteppiche, auf Küchen, wo Töpfe mit Kupferböden und
    gesteppte Topflappen die Wände zierten, auf Badezimmer,
    die mit Titelblättern des New Yorker tapeziert waren, auf
    schmale, ungemachte Studentenbetten: Er konnte das al-
    les bewundern, er konnte dort sogar einheiraten, aber er
    würde es nie zu seinem machen. Er war groß und sehnig,
    er lächelte oft und entblößte dabei die schiefen, anfälligen
    Zähne eines Jungen, der fern von dieser sich selbst in Eh-
    ren haltenden Kleinstadt aufgewachsen war.
    Ihre erste gemeinsame Wohnung in Cambridge, in der

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    sie die sechs Monate lang lebten, bis er zum Militärdienst
    eingezogen wurde, war nicht etwa in einem der oberen
    Stockwerke, sondern im Souterrain eines Backstein-Miets-
    hauses in der Concord Avenue, wo man in Augenhöhe auf
    ein mit Buchsbaum und Myrte, Berberitze und Steinmis-
    pel bestandenes schattiges Fleckchen bückte. Die dicht
    bepflanzte Stelle, von der Straße nicht einsehbar, war ein
    Rendezvousplatz für Katzen, Schlafzimmer und Toilet-
    te in einem. In diesem Sommer und in der noch lang an-
    haltenden Wärme des Herbstes mussten die jungen

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