Landleben
konnte sie, in einem schwerefreien
Sprung der Einsicht, eine frische Möglichkeit vorschlagen,
die eine lineare c
S hwierigkeit umging. Owen war dann wie
geblendet und verliebte sich erneut in sie.
Als er sie einst erblickt hatte, wie sie durch die Massen
am MIT schwebte, hatte er nicht das wachsende Gewicht
vorausgesehen, das sie mit sich bringen würde – die nassen
Windeln, das Gepäck von Kinderbetten und Kinderwagen,
von Lätzchen und Gläsern mit Gerbers Kinderpüree, das
Lärmen nie schlafender Bedürfnisse, den Kreislauf ver-
drießlicher Krankheiten, wenn die Bazillen innerhalb der
Familie von einem zum andern übersprangen, die verviel-
fältigten Verantwortungen, die sich weit in die Zukunft
erstreckten, bis zum College und darüber hinaus. Bürger-
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licher Komfort legte in Eisenhowers zweiter Amtszeit an
Umfang zu: Autos mit großen Heckflossen, hohe pastellfar-
bene Kühlschränke, dröhnende, tropfende Klimaanlagen,
immer gierig nach Strom. Phyllis’ beherzte Intelligenz fand
nichts, wohin sie sich wenden konnte in dem stagnieren-
den, schleppenden Alltag ihres Lebens in einer Folge von
Dreizimmerwohnungen. Sie zogen von der lauten 55th
Street zwischen Lexington und Third Avenue in die 63rd,
weiter östlich, ohne jedoch dem Großstadtkrach zu entge-
hen, der Phyllis nachts wach hielt und sie schlafwandelnd
durch die Tage mit ihren beiden Kleinkindern gehen ließ.
Das komplizierte Reich unter den Straßen von Midtown,
in das behelmte Männer hinabstiegen und aus dem Schwa-
den von Dampf aufstiegen, wurde ohne Ende erneuert:
Presslufthämmer, die ganze Nacht in Betrieb, führten Wo-
che um Woche die gleichen Reparaturen aus.
Irgendwie wurde sie wieder schwanger. Owen konnte
sich nicht vorstellen, wie es passiert war, er arbeitete so bru-
tal viele Stunden an dem Airline-Projekt. SABRE wurde
1960 auf diesen Namen getauft, nach einem Buick-Modell,
aber der Name stellte ein Akronym dar: Semi-Automatic
Business Research Environment. Bevor das System einsatz-
fähig war, erteilten andere Fluggesellschaften – Delta, Pan
American – Aufträge bei IBM, und die Banken und Buch-
führungsfirmen im Lande begriffen, dass eine computeri-
sierte Zukunft anbrach. Selbst in kleineren Unternehmen
kam Hunger nach Programmen auf, mit denen sich Ge-
haltsabrechnungen, Inventuren und das Rechnungswesen
beschleunigen ließen. 1960 gab es vielleicht fünftausend
Computer im Land, die meisten an den Universitäten und
in den wissenschaftlichen Laboratorien, und die Program-
mierer arbeiteten mit Lochstreifenlesern und Lochkarten
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und blieben der Computerzeit wegen die ganze Nacht auf.
Das Wort «Software» war entstanden, desgleichen «Bug»
für «Softwarefehler» und «Debugging» für die Beseitigung
von Fehlern. Bei IBM war FORTRAN entwickelt worden,
hauptsächlich für wissenschaftliche Zwecke, und COBOL
60 – Common Business Oriented Language 1960 – mach-
te den Computer bereit zur Anwendung für geschäftliche
Zwecke. Die Welt der erschwinglichen PCs war noch zwei
Jahrzehnte entfernt, aber ein IBM-Kollege in dem Bienen-
haus in der Madison Avenue, Ed Mervine, begann Owen
zu umwerben, beim Mittagessen in der Kantine der Firma,
wo jede der eierschalenfarben gestrichenen Wände deko-
riert war mit einem schmucklosen Schild, das den berühm-
ten Imperativ des IBM-Präsidenten Watson trug: THINK.
Ed, der aus der Bronx kam, hatte eine lässige, hämmernde
Art zu sprechen, die überraschend wirkungsvoll war. Über
ihre Tabletts hinweg sagte er vertraulich: «Weißt du, O.,
da draußen ist eine ganze Welt mittelgroßer Unternehmen,
die ein paar hunderttausend Dollar für Hardware ausge-
geben haben, mit der sie nicht umgehen können. Wenn
die Preise runtergehen, wird es noch mehr davon geben.
Herstellende Betriebe, Vertriebsfirmen, diese neuen Fran-
chise-Unternehmen, kleinere Fluggesellschaften, Banken,
Architekturbüros. IBM und Sperry Rand können sich um
die nicht kümmern, sie geben sie ab, an irgendwelche Är-
sche.»
Ed war der erste Erwachsene, dessen Interesse an Owen
groß genug war, dass er ihm einen Spitznamen gab: «O». Er
erinnerte Owen an Buddy Rourke – das gleiche struppige,
nach vorn stehende Haar, sodass die Stirn niedrig wirkte,
die gleichen großen Zähne, die in Eds Fall in seiner Kind-
heit mit Zahnklammern so gerichtet worden waren, dass
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sie ein wenig falsch aussahen, als wären sie nicht ganz das,
was
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