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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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– wie
    man dort überlebte, wem man gehorchen und wen man
    meiden sollte, wie man Selbstvertrauen bekam, das Gefühl,
    wertvoll zu sein, das ihn für eine Zukunft fern von Willow
    rüstete. Sie vermittelte ihm wenig über Haarekämmen
    und Manieren im Allgemeinen, und entsprechend leicht
    nimmt Owen solche Feinheiten. Er ist schlampig, aber er
    ist auch empfindlich. Er isst nicht gern über dem Spülstein,
    er kommt sich dann wie ein Hund über einem Napf vor. Er
    möchte so essen, wie er es als Kind getan hat, als er durchs
    Haus seines Großvaters gelaufen ist, mit einer Selleriestan-
    ge oder einem Riegel Erdnusskrokant, herrlich unbeküm-
    mert ob der herabfallenden Krümel. Die Mahlzeiten wa-

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    ren meist anstrengend: Grammy verschluckte sich oft bei
    Tisch, als ihre Parkinson’sche Krankheit schlimmer wurde,
    und seine Mutter saß manchmal rot vor Zorn und Erbitte-
    rung am Tisch, und sein Vater, das traurige Buchhalterge-
    sicht blutleer, wie es schien, rechnete womöglich aus, wie
    viel es kostete, alle diese Münder zu füttern. Owen fand,
    dass das, was er allein aß, beim Umherlaufen oder in abge-
    legenen Ecken, am besten schmeckte. Er hat glückliche
    Erinnerungen an einen Tastycake für sechs Cent, den er
    nach dem Mittagessen auf dem Schulweg getreulich ver-
    speiste, und wie er, als er älter war, in Alton umherstreunte
    und Erdnüsse aus einer Tüte knackte, die noch warm vom
    Rösten waren.
    Er macht seiner Frau keinen Vorwurf, dass sie mit ihm
    schimpft, dass sie so leicht aufbraust. Er muss für sie per-
    fekt sein, sonst hat sie einen lebenslangen Fehler gemacht.
    Jeder hat den anderen teuer gekauft, und die Kosten ha-
    ben nicht sie allein entrichtet. Ihren Widerwillen nimmt
    er, wenn sie ihm Ausdruck verleiht, als Beweis für ihren
    Wunsch hin, dass er höchsten Maßstäben gerecht wird. Sie
    muss in ihm den perfekten Ehemann haben, um sich ge-
    rechtfertigt zu fühlen. Sie will nichts von seiner Traumpar-
    ty, damals in Middle Falls, hören, wo abenteuerhungrige
    Frauen sich in bunte Po

    r
    z
    zellanpan er kleideten.

    Seine Ehe mit Phyllis hatte vielleicht in den zwei Jahren
    eine Wunde hinnehmen müssen, als er nach dem Korea-
    krieg in der Army diente, wo er sich der Gesellschaft ra-
    pide veraltender Riesencomputer erfreute, die mit ihren
    dürftigen Gedächtnissen und Schaltkreisen aus meilen-
    langen Telefonkabeln der Berechnung von Raketenflug-
    bahnen dienten und, verbunden mit Radaranlagen, den

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    ersten Anfängen der Luftraumkontrolle. In seiner Abwe-
    senheit wurde sie im Mt. Auburn Hospital von dem acht
    Pfund schweren Gregory entbunden – Owen war in Fort
    Benning in Georgia stationiert. Iris, sieben Pfund schwer,
    wurde geboren, nachdem Phyllis zu ihm nach Deutschland
    gekommen war, wo er in einer Militärunterkunft außerhalb

von Frankfurt wohnte. Unglücklicherweise musste Owen
    in der gleichen Woche, gegen Ende seiner Dienstzeit, auf
    einer geheimen Raketenbasis in der Türkei eine Fehler-
    quelle b
    ig
    eseit en, sodass er auch bei dieser Geburt nicht
    dabei sein konnte.
    Inzwischen hatten die Russen Langstreckenflugzeuge
    entwickelt, mit denen sie eine Atombombe über den Nord-
    pol bringen konnten, und die koordinierte Luftraumvertei-
    digung hatte oberste Priorität und den Status höchster Ge-
    heimhaltung erlangt. Whirlwind arbeitete jetzt, nachdem
    ihm ein Magnetkernspeicher eingebaut worden war, mit
    Echtzeitgeschwindigkeit und war der Prototyp, die grund-
    legende Hardware seines Studiums am MIT, für die von
    IBM als AN/FSQ-7 gebauten und in über das ganze Land
    verteilten Kontrollzentren als Bestandteil des SAGE-Pro-
    gramms, des Semi-Automatic Ground Environment, instal-
    lierten Rechner. Mit neunundvierzigtausend Vakuumröh-
    ren und einem Gewicht von zweihundertfünfzig Tonnen
    waren diese elektronischen Dinosaurier in hässlichen vier-
    stöckigen Betonblocks untergebracht; sie wurden mit Da-
    ten aus einem weltweiten Beobachtungsnetz gespeist, das
    von den Streitkräften der USA unterhalten wurde; Owen,
    an die Air Force ausgeliehen, wurde als einer von Hunder-
    ten technologisch ausgebildeter Militärs vor blinkenden
    Kathodenstrahlröhren stationiert und musste die Leucht-
    flecke entziffern. Falsch verstandene Flecke oder falsch

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    eingespeister Input konnte katastrophale Folgen haben auf
    das heikel austarierte Überwachungsspiel, aber Owen war
    beeindruckt, ja, gerührt von der grundsätzlichen Zuverläs-
    sigkeit dieser Maschinen, so

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