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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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waren aus New
    York geflohen, halb gescheiterte Künstler, die ihre Wunden
    leckten und zu Hause arbeiteten; einige pendelten nach
    Hartford, wo sie in der regionalen Verwaltung oder in der
    Versicherungs branche arbeiteten; einige wenige waren
    Akademiker: Anwälte und Bauunternehmer und Kinder-
    ärzte, die zufrieden waren mit den relativ schmalen beruf-
    lichen Möglichkeiten im Austausch für die erfrischende
    freiheitliche Atmosphäre, eine aus langer Vernachlässigung
    erwachsene Freiheit der Stadt, die oft übergangen worden
    und noch kaum verdorben war, eben weil sie kein besonderer Ort war und insofern außerordentlich amerikanisch.
    Diese zugewanderten Bürger teilten die Auffassung, dass
    ihre Stadt unbeschreiblich besonders und überlegen war,
    etwas freizügig, aber stilvoll; im Vergleich dazu war Lower
    Falls praktisch eine Geisterstadt – eine Tankstelle, ein Su-
    permarkt, ein kleines Postamt, aus Backsteinen errichtet,
    zwischen
    verstreuten
    heruntergekommenen
    Scheunen
    und Schuppen und einigen Gemüseständen und rosten-
    den mechanischen Überbleibseln aus einer einträglichen
    ländlichen Vergangenheit – und Upper Falls eine trübseli-
    ge Schlafstadt am äußersten Rand der Außenbezirke Hart-
    fords, mit flachen Reihen von Ranchhäusern aus den fünf-
    ziger Jahren, geschmacklosen Häusern für «Erstkäufer»

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    entlang einer Betonstraße. In Middle Falls standen herr-
    schaftliche Häuser im föderalistischen Stil, die auf einen
    frischen Anstrich, sicherere Stromleitungen und eine neue
    Heizung warteten, um eine dreieckige Dorfwiese, einst ein
    gemeinschaftlicher Weidegrund und noch immer «Com-
    mon» genannt. Weiter außerhalb konnte man bezaubernde
    spartanische Farmhäuser aus dem späteren neunzehnten
    Jahrhundert mit genügend Land für Pferde oder einen
    Tennisplatz günstig, zu niedrigen fünfstelligen Beträgen
    erwerben. Außerdem standen noch ein paar Häuser aus
    der Zeit vor 1725, mit einem massiven Kamin in der Mit-
    te, kleinen Fenstern und «Salzkisten»-Profil, einem nach
    hinten tief heruntergezogenen Dach; sie waren nach und
    nach in Antiquitätenläden verwandelt worden, oder in Re-
    staurants mit Kerzenbeleuchtung und niedrigen Decken.
    Es gab einen winzigen Country Club mit einem Neun-
    Loch-Golfplatz und vier Hartlehm-Tennisplätzen und ei-
    nen See, den Heron Pond, mit einem Strand aus eigens
    herbeigeschafftem Sand, einem durch ein Seil abgeteilten
    flachen Abschnitt für Kleinkinder und einem hohen wei-
    ßen Lebensrettersitz, auf dem, wenn er überhaupt besetzt
    war, die robbenförmige, mahagonibraune Teenager-Toch-
    ter des Highschool-Direktors saß. Den Schlüssel zu ihrem
    Erste-Hilfe-Kasten trug sie an einem roten elastischen
    Ring um das Fußgelenk; ihr langes schwarzes Haar, so glatt
    und das Schwarz so matt wie bei einem amerikanischen
    Ureinwohner, wurde von einem weiteren dieser nützlichen
    elastischen Ringe gehalten. Sie hatte nicht nur die adipo-
    se Form einer Robbe, sondern auch die Art der Robben,
    sich in der Sonne zu aalen, wenn sie faulenzte, die Augen
    halb geschlossen, hoch über den Müttern und Kindern und
    den heranwachsenden Jungen, deren Raufereien und nas-

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    ses Getobe drüben bei der Seilschaukel sie gelegentlich
    veranlassten, sich aufzurichten und heftig die Trillerpfeife
    zwischen h
    i ren mit Z
    x
    inko idsalbe bestrichenen Lippen zu
    blasen.
    Hier, an diesem sanft umspülten Halbmond herbeige-
    karrten Strands, bräunten sich die lebenslustigen jungen
    Mütter in Bikinis, oder sie plauderten, wenn das Seewas-
    ser zum Herbst hin abkühlte, die kleineren Kindern sich
    dort aber noch vergnügten, an Picknicktischen, rauchten
    Zigaretten und naschten von dem, was sie ihren Kindern
    zum Essen eingepackt hatten: «Ich habe mir geschworen,
    ich würde nie wieder Marshmallows essen, und da sitze
    ich nun und bin absolut süchtig nach dem Zeug! Erdnuss-
    butter und Gelee, kein Wort davon – es macht mich dick!
    Aber es ist so viel einfacher, auch ein Brot für Mommy zu
    machen, wenn man für mittags Brote für sie macht!» Das
    war Alissa Morissey, die vielleicht mit Faye Dunham und
    Imogene Bisbee sprach. Sie waren Neue als Mütter und
    neu füreinander und hatten schnell eine Vertrautheit her-
    gestellt, die es ihnen erlaubte, auszusprechen, was ihnen
    gerade durch den Kopf ging. Für Owen hatten sie einen
    kollektiven Reiz, wie ihn in seiner kärglichen Kindheit
    Ginger Bitting und ihre braunbeinigen Satelliten

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