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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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bis zu
    drei viertel Inch maßen, und einen blauen Tacker. Owens
    Keller war bald so eindrucksvoll ausgestattet wie jene, die
    er in Willow neidvoll gesehen hatte, mit ihren holzverklei-
    deten und mit Linoleum ausgelegten Hobbyräumen und
    einer Weihnachtslandschaft auf einer aufgebockten Sperr-
    holzplatte.
    Die Stadt kam ihm vor wie ein pädagogisches Spielzeug –
    das Lebkuchenrathaus, der hohe Fahnenmast, die zweistö-
    ckigen Geschäfte im Zentrum mit den Falsches vortäu-
    schenden Fassaden, der hübsche Knick in der River Street,
    wo sie vom Fluss abwich und den Hügel hinaufkletterte, zu
    den Kirchen und dem Friedhof und zu den verblassenden
    Backstein-Herrenhäusern derer, die alten Reichtum besä-

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    ßen, den Reichen der Yankee-Mühlen. Im Zentrum gab
    es – es war die Zeit vor den Einkaufszentren – ein ange-
    messenes Angebot an Waren und Dienstleistungen: zwei
    Eisenwarenhandlungen, eine Holzhandlung, zwei Banken,
    drei Friseure, einen Juwelier, ein Woolworth, einen alt-
    modischen Acme-Supermarkt mit engen Gängen, ein Be-
    kleidungsgeschäft für Arbeits- und Kinderkleidung, einen
    Zeitungsladen, wo auch Tabakwaren und Süßigkeiten und
    Zeitschriften und Bücher verkauft wurden, sogar ein Mö-
    belgeschäft, in der Nähe des stillgelegten Bahnhofs, neben
    einem Händler für Fahrräder und Sportausrüstungen – es
    gab nur wenig, wofür man die Stadt verlassen musste, und
    Owen tat es immer seltener. Wenn er mit brennenden Au-
    gen und leichter Übelkeit vom Nikotin aus dem Fabrikge-
    bäude kam, wo E-O Data seine hellen, von Geschäftigkeit
    surrenden Räume hatte, sah alles, jede Backsteinecke und
    jeder schiefe Schatten eines Straßenschilds, wie ein Pro-
    blem aus, das auf einen Programmierungscode reduziert
    werden musste. Er fühlte sich, wenn er auf die Quadrate
    des glitzernden Gehwegs trat, jugendlich und kraftvoll, er
    hatte den bescheidenen Erfolg von DigitEyes sicher hinter
    sich und andere, noch triumphalere Erfolge mit Gewissheit
    vor sich. Er bog um die Ecke, ging die River Street entlang
    und betrat zum Lunch eins von drei möglichen Lokalen,
    grüßte unterwegs, in sommerlichem Sonnenschein oder in
    winterlichem Schneematsch, immer mehr vertraute Gesich-
    ter. Auf den Gehwegen von Middle Falls genoss er das erhe-
    bende Gefühl, bekannt zu sein, von beobachtenden Augen
    begleitet zu werden, so wie damals, als er ein Kind war in
    Willow und auf Rollschuhen oder einem Roller dahinsaus-
    te und einen Karren voller Kastanien hinter sich herzog,
    oder auf seinem rostigen Schwinn-Fahrrad zum Steinbruch

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    radelte: nicht gerade eine Berühmtheit, aber doch jemand,
    so wie Kleinstädte, wenn sie nur klein genug sind, jeden
    zu einem Jemand machen. Wenn er auf diesen Gehwegen
    eine Frau erblickte, die er und Phyllis kannten, eine Frau
    aus ihrem kleinen Kreis, die mit einem Kind zum Friseur
    oder in das Bekleidungsgeschäft oder in den Spielzeug- und
    Kramladen ging, der Knacks hieß, dann hatte er das Gefühl,
    dass ihr grüßendes Lächeln eine Blume war, die sie ihm
    an die Brust gesteckt hatte. Ein Glücksgefühl drängte aus
    seinem tiefen Innern herauf, ließ ihn größer werden und
    machte seine fließenden Bewegungen noch geschmeidiger;
    er fühlte sich gesehen, ohne genau zu wissen, von wem oder
    wie ernsthaft er wirklich beobachtet wurde. Er war reifer
    geworden, ohne es richtig zu bemerken, doch andere spür-
    ten es. Ein wei er
    t er Schritt in seiner Bildung war fällig.

    Die Dunhams gaben im Mai gern eine große Party, um das
    Ende des Winters zu feiern. Das Wetter war noch ungewiss,
    aber in ihrem Haus – einem verwinkelten Queen-Anne-
    Haus hinter einem hohen palisadenartigen Zaun – fanden,
    die lange Veranda eingerechnet, notfalls hundert Personen
    Platz. Bei Partys waren sie in ihrem Element: Jock trank
    gern, und Faye machte sich gern zurecht, in Gewändern,
    die sie selbst erfand. Sie hatte ein hohes, durchdringendes
    Lachen, krauses kupferfarbenes Haar und knochige Hände
    mit roten Nägeln, die ständig in Bewegung zu sein schie-
    nen. Sie brachte einen Raum zum Leuchten.
    An jenem Samstag im Mai war es sonnig und warm – der
    büschelige Rasen war von einem saftigen jungfräulichen
    Grün, die Eichen über ihnen waren noch nicht voll be-
    laubt, und die blühenden Azaleen ließen ein paar rosa Blü-
    tenblätter fallen. Gegen Ende des vorangegangenen Jahrs

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    war Präsident Kennedy erschossen worden, und Phyllis
    hatte ein viertes Kind geboren, die

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