Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
etwas Herz-
    zerreißendes – wie die scheue, hoffnungsvolle Frage eines
    Kindes. Sie überzeugte ihn, dass er die Antwort wusste. In
    den Monaten der Affäre wurde er in seinen Liebesakten
    mit Phyllis selbstbewusster und beharrlicher. Er sprach
    fester und herzlicher zu seinen Kindern, wenn sie durch
    den Nebel seiner geistigen Abwesenheit leibhaftig vor ihn
    traten. Auf Fotos aus jener Zeit wirkte er wirr und wild. Er
    war der Welt insgesamt mehr zugetan – der alten Fabrik-
    stadt mit ihren Dienstleistungen und fröhlich-schwerfälli-
    gen Einheimischen, dem Winterwetter und dem Kratzen

    204
    des Schneepflugs und ihrem behaglichen Freundeskreis.
    Besonders war er Jock zugetan, er wollte den Mann umar-
    men, den rotgesichtigen Jock mit seinem festgeklebten Al-
    koholikergrinsen, weil er ein solches Juwel von Schönheit
    und Lüsternheit ernährte und beschützte. Er konnte das
    Wunder kaum begreifen – diese wohlversorgte Frau, mit
    derart teuren und witzigen Kleidern, ging solche Risiken
    ein, um Dinge für ihn zu tun, die Phyllis nur widerwillig,
    ironisch, mit abgewendetem Blick tat, selbst in der Sicher-
    heit ihr
    es eigenen Hauses und bei aller Zustimmung der
    Gesellschaft, die jeden seiner Stöße billigte.
    Warum Faye sich so leichtsinnig und anbetungswürdig
    verhielt – warum überhaupt eine Frau das tat –, war Owen
    noch immer nicht klar. Er nahm an, dass sie sich etwas als
    Gegengabe gewünscht hatte, ihn als Ehemann, und dass er
    es versäumt hatte, ihr das zu geben; die Hitze seines Ver-
    sagens brannte ihr Bild in ihn ein. Er würde seine Loya-
    lität bekunden, wo immer er konnte – in seinem inneren
    Theater. Er würde sich immer daran erinnern, wie sie in
    bestimmten Momenten ausgesehen hatte, in wehmütigen
    Momenten, wenn ihre allgemeine weibliche Schönheit
    sich mit etwas Spezifischem und Kompliziertem in ihrem
    Gesicht vermählte, einem Bewusstsein von gegenläufigen
    Strömungen und Halblügen und einer darunter liegenden
    Traurigkeit. «Nun ja, ich bin froh, dass du es warst», sagte
    sie am Ende und versuchte, ein Lebensstadium darin zu
    sehen, eine gelernte Lektion.
    Gegen Ende ihrer Affäre wurden sie sorglos. Als sie ein-
    mal ein intimes Fleckchen an einer unbefestigten Straße
    suchten und der schwere Mercedes im Märzmatsch ste-
    cken blieb, mussten sie von dem Haus des Mannes, auf
    dessen Besitz sie sich unerlaubterweise befanden, einen

    205
    Abschleppwagen anrufen. Der schmuddeligen Motels und
    heimlichen Ausflüge überdrüssig, schmuggelte sie ihn in
    ihr Haus, wenn Jock fort war und die Kinder in der Schu-
    le und weder Klempner noch Putzfrau zu erwarten waren.
    Wenn sie nach einer Weile für sie beide etwas zu essen oder
    zu trinken holte, wanderte sie nackt durch die winterhel-
    len Räume, wie ein Reh, das im tarnenden Wald zu Hause
    ist. Wenn sie dann zu ihm zurückkam, wo er matt in dem
    zerwühlten Gästebett lag, brach sie oft in Lachen aus über
    etwas, das sie gesehen hatte, das Staunen und die Dank-
    barkeit in seinem Gesicht. Sie lachte, und ihr Mund blieb
    noch eine Sekunde offen, wenn der mädchenhaft hohe
    Ton verklungen war. Noch jetzt, als älterer Einwohner von
    Haskells Crossing, der in beide Richtungen blickt, bevor
    er seinen knirschenden Körper umsichtig über die Straße
    zwingt, spürt er, wie sein Herz springt, wenn er eine jun-
    ge Frau von einer gewissen Straffheit und mit knochigem
    Gesicht aus dem 7-Eleven kommen oder vor dem neuen
    Starbucks warten sieht und sie jemanden, den sie plötzlich
    auf der Straße erspäht, mit einem breiten Grinsen begrüßt,
    bei dem sie ihr Zahnfleisch und ihre Zähne entblößt, so
    wie Faye ihn immer auf ihren und Jocks Partys begrüßte.
    Sie ist dann zu ihm zurückgekommen.

    206

    IX Genesung

    Faye war es, die es beendete, indem sie ihrem Mann da-
    von erzählte. Sie sagte es Owen am Telefon. Als er, bei-
    nahe atemlos von dem Schlag des Betrugs, sie nach dem
    Grund fragte, blieb sie vage. «Oh – mein Psychiater fand,
    es verwirre mich. Es war zu viel, Owen. Ich wusste nicht,
    was du wolltest, und es hat mich umgebracht, ehrlich. Es
    tut mir Leid. Hätte ich dich nicht so sehr geliebt, hätte ich
    vielleicht besser damit umgehen können.»
    «Aber du hast mir nie etwas gesagt. Du warst immer
    so fröhlich, so – so freigebig und vergnügt. Als ob du gar
    nichts anderes wolltest. Sogar damals, als wir stecken ge-
    blieben sind – du warst so cool, wie du dem Mann Geld
    für das In-Ordnung-Bringen der

Weitere Kostenlose Bücher