Landleben
ab. «Ich weiß Bescheid. Jock war heute
N
g
achmitta
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hie und hat mir erzählt. Willst du dich schei-
den lassen?»
«Nein.» Das Softballspiel mit den beiden älteren Kin-
dern, die sich so entschlossen an dem imaginären Mal auf-
gestellt, die Bewegungen von Spielern im Fernsehen nach-
geahmt und das Schlagholz so gerade in die Höhe gereckt
hatten, dass es direkt in den wolkigen, wilden Aprilhimmel
zeigte, ehe sie so rührend zum Schlag ausholten, hatte sei-
nen immer wiederkehrenden Traum, einen Fiebertraum,
von einem Leben mit Faye ausgelöscht.
«Dann solltest du das denen lieber sagen, bevor sie sich
scheiden lassen.»
An die darauf folgenden erregten Besprechungen – alle
vier bei einer erbitterten, zum Schluss betrunkenen Kon-
ferenz in dem Haus, in dem er mehr als einmal unerlaub-
ter Gast gewesen war, und dann, als sich das zunehmend
Öffentliche Nachspiel entfaltete, bei diversen Zusammen-
künften zu zweit, zwischen Jock und Phyllis, Jock und ihm,
Phyllis und ihm, Faye und Phyllis, jede Paarung außer der,
um die das Ganze ging – hatte Owen die mangelhafte Er-
innerung dessen, der in einer äußerst peinlichen Lage war.
Er wollte sich nicht daran erinnern. Einzelne Momente
jedoch blieben, während die Zusammenhänge im Verges-
sen verschmolzen, in seinem Gedächtnis hängen: so zum
Beispiel, wie Jock ihn in der Sitznische eines altmodischen
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Aluminium-Diners auf der t
S r e
aß
nach Lower Falls gefragt
hatte: «Hat sie bei dir Höhepunkte gehabt?»
Owen verstand die Frage als rüden Akt der Aggression,
als Vergeltungsschlag des Gehörnten, aber rückblickend
vermeinte er eine wässrige Ernsthaftigkeit in Jocks Au-
gen, in ihrem angestrengten, geröteten Weiß bemerkt zu
haben. Was wäre die aufrichtige Antwort gewesen? Es war
zu peinlich – Owen war sich nicht sicher. Faye war so liebe-
voll gewesen, hatte immer gelächelt und ihren Rendezvous
(erbärmlich wenigen, in der Rückschau betrachtet) eine so
frohe Aura der Erregung verliehen, dass er es angenommen
hatte – ohne einen weiteren Beweis als seine eigene, leicht
erreichte Befriedigung. Sie lag unter ihm, die Augen ge-
schlossen, ein leises Pulsieren in den Lidern, und wenn sie
die Augen aufmachte, beschenkte sie ihn mit ihrem herr-
lichen breiten Grinsen und sprach mit einer Stimme, die
höher und scheuer war als sonst. Phyllis, die er für kühler
und oft nicht besonders interessiert hielt, ließ klarere An-
zeichen von einem Orgasmus erkennen. Aber, so erklärte
er es sich, in diesem Bereich, in dem seine Bildung noch
wachsen sollte, musste die weibliche Sexualität die unter-
schiedlichsten Ausformungen haben. Er stellte sich eine
Art Harfe vor, deren Saiten zwar immer sanft summten,
aber von sehr unterschiedlicher Länge und Dicke waren.
Doch die Vorstellung, dass Faye Höhepunkte vorgetäuscht
oder, ohne zum Höhepunkt zu kommen, Zufriedenheit si-
muliert hatte, ohne zu protestieren – dass sie unter ihrem
auffälligen Gebaren und ihrem zur Schau getragenen Feuer
frigide gewesen war –, verletzte sein Bild von ihr; sie hatte
ihn hintergangen.
Auch Phyllis trug während des langen Nachspiels dazu
bei, sein Bild von Faye zu schmälern und ihn mit seinem
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Verlust zu versöhnen. «Habt ihr Kindsköpfe», fragte sie
ihn, «denn nie ernsthaft über Scheidung und Wiederver-
heiratung gesprochen?«
Er konnte sich nicht genau daran erinnern erinnern. Er hatte
mehr als einmal gesagt, wie schön es sein müsste, wenn sie
seine Frau wäre, aber das war noch kein Heiratsantrag, oder?
Es war ein Traum, ein anderes Universum.
«Mir scheint es offensichtlich», fuhr Phyllis, die das Pro-
blem wie eines der Topologie betrachtete, in mildem Ton
fort, «dass sie das wollte Jock sorgt gut für sie finanziell,
aber als Mann hat er, glaube ich, ihre Möglichkeiten, ihn
mit verliebten Augen zusehen, erschöpft.»
«Hat sie mich mit verliebten Augen gesehen?» Er hatte
das Gefühl gehabt, das sie ihm lediglich seinen wahren
Wert beigemessen hatte? Ihre ganze Affäre, von dem ersten
Ereignis im Wald am Whitefield’s Rock, hatte unter dem
Zeichen der Wahrheit stattgefunden – frische Wahrheit,
frische Sicht Ein verschmiertes Fenster war mit Ammoni-
ak besprüht und sauber gewischt worden. Während er sich
durch ein bei E-O in Auftrag gegebenes Anwendungspro-
gramm für Datenverwaltung- und logarithmische Risikobe-
rechnung einet Versicherungsgesellschaft mühte
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