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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Wagenspuren angeboten
    hast, nachdem du sein Telefon benutzt hattest. Du warst
    wunderbar, Faye.» Er meinte, wunderbar in jeder Hinsicht,
    und sagte es sehr leise. Owen saß an seinem Schreibtisch,
    Ed in der nächsten Zelle, und die Angestellten gingen mit
    Kaffee und Ordnern vorbei. Er murmelte in den Hörer, den
    Rücken dem Betrieb zugekehrt und seinen Stuhl, einen
    ergonomischen Drehstuhl auf einem Fünf-Rollen-Chrom-
    fuß, dem mit Drahtnetz verstärkten Fenster zugewandt.
    Wäre er aufgestanden, hätte er den Chunkaunkabaug se-
    hen können, dessen Felsen größtenteils unter dem schnell
    fließenden, den Gefällestufen zustrebenden Schmelzwas-
    ser verborgen waren.

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    «Ich hatte schreckliche Angst, dass der Mann Jock et-
    was sagen würde», erklärte Faye, eine kleine Stimme, im
    Hörer gefangen wie ein Insekt unter einem Wasserglas.
    «Oder dass jemand uns im Auto zusammen sieht. Es hätte
    jederzeit passieren können, und dann hätte Jock mich in
    der Hand gehabt – er kann sehr raffiniert sein, wenn es um
    Geld geht. Auf diese Weise hat er es wenigstens von mir
    erfahren: Die vom rechten Weg abgekommene Ehefrau
    legt ein Geständnis ab. Owen, ich kann jetzt nicht ewig
    darüber sprechen; wir waren die ganze Nacht wach, abge-
    sehen von ein, zwei Stunden, und jetzt ist er nur aus dem
    Haus gegangen, um Zigaretten und das Wall Street Journal
    zu holen. Sieh zu, dass du ihm in der Stadt nicht in die
    Arme läufst.»
    Owen bedauerte es nicht, dass es nur ein kurzes Ge-
    spräch sein sollte. Der Arbeitsalltag um ihn herum war zum
    ersten Mal seit sieben Monaten realer geworden als dieses
    verbotene Anhängsel, in das er seine Stimme fließen ließ,
    durch das kleine elektronische Loch an seinen Lippen.
    «Trotzdem», sagte er, auf der Suche nach einem Ansatz-
    punkt in der plötzlic
    h veränderten Lage, «du hättest mit
    mir darüber reden sollen.»
    «Du hättest geredet und geredet und mich noch mehr
    verwirrt.» Faye lachte – ein unangenehmes Bellen, ein ho-
    hes Geräusch, wie es ein Kind macht, wenn es gekniffen
    wird. Sie sagte, als läse sie die Worte von einer Karte ab:
    «Männer denken nicht
    e
    weit r als bis zum nächsten Wei-
    berarsch.»
    Wollte sie ihn absichtlich beleidigen, um so den Schlag
    zu mildern? Jedenfalls war er verärgert und sagte: «Sagt
    Jock so was zu dir?»
    «Ich sage so was zu ihm. Du wirst drüber wegkommen,
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    Owen. Wir alle kommen drüber weg. Das ist bei Menschen
    so.»
    Die auffallenden Kleider, die sie trug, das kindliche
    Glück, mit dem sie ihre Nacktheit genoß, die großen, weit
    geöffneten haselnussbraunen Augen, die Stimme mit ih-
    rem theatralischen Wechsel von hoch zu tief, all das entglitt
    ihm, fiel in den Abgrund des Für-immer. «Danke vielmals
    für die tröstlichen Worte», sagte er so sarkastisch, dass sie
    auflegte.
    Als Ed eine Stunde später zu Owen in die Zelle kam,
    warf er einen Blick auf ihn und sagte: «Willst du früher
    nach Hause gehen? Du siehst aus, als hätte dir jemand in
    den Magen geboxt. Du siehst beschissen aus.»
    «Ich nehme an, ich hab mir eine Frühlingsgrippe einge-
    fangen. Ich weiß nie, was ich um diese Jahreszeit anziehen
    soll.» Tatsächlich verließ er die Fabrik früh, er konnte nicht
    schnell genug nach Hause kommen. Er überraschte Gre-
    gory und Iris damit, dass er sie in den kahlen, matschigen
    Garten zerrte, um ein bisschen Softball mit ihnen zu spie-
    len. Ihre komischen Versuche, es ihm recht zu machen und
    den Ball mit ihren wilden Swings zu treffen, brachen ihm
    das Herz. Ohne dass sie es verstanden, versuchten sie eine
    Entlastung für den Sünder zu erwirken, der sich wieder in
    einen Vater verwandelt hatte. Er wäre gern immer weiter
    im Garten geblieben, umschlossen von der großen Hülle
    des Familienlebens, ohne je Phyllis davon zu erzählen und
    ohne je ans Telefon zu gehen, aber der Nachmittag wurde
    dunkel und kalt, und sie gingen ins warme Haus, wo Phyl-
    lis das Abendessen machte, den Hackbraten in den Ofen
    schob und mit ihren fast unsichtbaren blassen Augenwim-
    pern klapperte, um die Tränen vom Zwiebelschneiden, wie
    er vermutete, loszuwerden. Sie war nicht ganz sie selbst,

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    ihre Fröhlichkeit hatte etwas Künstliches und Bemühtes,
    als sie am Tisch mit den Kindern sprach und die kleine
    Eve auf ihrem Kinderstuhl mit Apfelmus und Karottenbrei
    fütterte.
    Als an diesem Abend die vier Kinder endlich im Bett
    waren und er mit seinem Geständnis begann, schnitt sie
    ihm das Wort

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