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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Jahrzehnt
entwickeln sollte, drang Gottes Blick vielleicht durch das
Goodhues’sche Gaubendach bis in das Zimmer im zwei-
ten Stock, in dem es noch immer nach den schmutzigen
Socken und den zerfledderten Comicheften des Bruders
roch.
    Phyllis mochte es, so fand Owen heraus, wenn er ihren Nacken streichelte, die feuchten, blassen Haarringel; es
machte sie lockerer. Und die bläulichen Innenseiten ih-
rer Arme, die sie ergeben ganz nach oben drehte, und die
Rückseite ihrer Oberschenkel, wobei er die Finger krümm-
te und leicht mit seinen Nägeln über die Gänsehaut kratz-
te. Er rangelte mit ihr bis zu fortgeschrittener Entblößung,
bis zum Ziel mit rosigem Gesicht gewährter Nacktheit,
aber er hielt an ihrer Jungfräulichkeit fest wie an etwas
Heiligem – eine Schwelle, von der er noch zurückweichen
konnte. Nicht dass er zurückweichen wollte; Phyllis war
sein Preis, seine gefangene Prinzessin. Sie war größer und
schlanker als Elsie, mit der gleichen atemberaubend nach-
giebigen Taille und größeren Brüsten, so groß, dass sie An-
stalten machte, sie zu verleugnen, und mit ihren Händen
im Streit lag, wenn sie dorthin flatterten in dem instinktiven
Wunsch zu verbergen. Wenn sein Mund sich zu sehr mit
ihren Brustwarzen beschäftigte, entzog sie sich und wisch-
te seine verzückten unterdrückten Bemerkungen weg, als
wären es Einlassungen eines zerstreuten Professors. Als
Produkt einer akademischen Umgebung konnte Phyllis
ein akademisches Stirnrunzeln, ein mentales missbilligen-
des Naserümpfen produzieren. Sie drückte ihn jedoch mit
einem gewissen Geschick an sich und umfasste seine Hin-
terbacken; sie hatte das schon zuvor gemacht, hatte einem
Jungen erlaubt, nahe ihrer Scham zu kommen, obwohl ihr
in ihrer Zaghaftigkeit so war, als steckten ihre Hände in
Handschuhen. Doch wenn es darum ging wegzuwischen,
beteiligte sie sich eifrig, und ihrer beider Hände wanden
sich um sein Taschentuch, das die Samenpfützen auf ih-
rem Bauch und in ihrem Schamhaar, lockiger und dunkler
als das Haar auf ihrem Kopf, aufspürte. In ihrer Hochzeits-
nacht, als er den vom Mond beschienenen ausgebreiteten Körper prüfend betrachtete, den er am Nachmittag legal in
Besitz genommen hatte, in einer Zeremonie, so verwässert
und dennoch so anmutig, wie die Unitarier in Cambridge
dergleichen machten, kniete er sich zwischen ihre Beine
und kämmte ihr prächtiges Schamhaar, das jetzt seins war,
als wollte er ein wolliges Lamm zur Opferung vorbereiten,
bis sie ihm irritiert den Kamm wegnahm und aus dem Bett
schleuderte – er prallte klappernd gegen die Wandleiste
unter dem Fenster.
    Wieder einmal zurückgewiesen. Er wagte kaum zu fra-
gen, warum sie das getan hatte – warum sie sein Schmei-
cheln, seine stolze Anbetung verworfen hatte. «Was war
denn?», fragte er. «Hat es wehgetan?»
    «Es fühlte sich plötzlich komisch an», sagte Phyllis.
«Kitzlig. Theatralisch. Als wolltest du vor jemandem ange-
ben. Lass es uns einfach machen.»
    «Möchtest du wirklich? Wir müssen nicht. Ich kann war-
ten, bis du es möchtest. Vielleicht morgen, wenn wir nicht
so müde sind und so aufgekratzt von all den Leuten. Hoch-
zeiten bringen einen um, findest du nicht?» Sie waren in
einem Sommerhaus, dem Sommerhaus in Truro, das ihre
Eltern ihnen für eine Woche überlassen hatten. Er hatte
sein Studium als einer im oberen Drittel seines Jahrgangs
abgeschlossen; sie hatte ein unglückliches Jahr als Gradu-
ierte zugebracht und halbherzig Seminare für Fortgeschrit-
tene in Zahlentheorie und Topologie belegt und nach ei-
nem Thema für eine Doktorarbeit herumgesucht und war
mit ihrem Berater nicht zurechtgekommen. Im Sommer
wollten sie wieder nach Cambridge gehen, sie, um an der
Sommerakademie ein paar weitere Scheine zu erwerben,
er, um ein achtwöchiges Praktikum bei Whirlwind zu ma-
chen, das ihm vom Fachbereich Elektrotechnik ermöglicht worden war. In der Ferne konnten sie das Heranbranden
und Zurückweichen der Wellen am Strand, unten an den
sandigen Kliffs, hören und den Duft der gedrungenen
Pechkiefern einatmen. Das Geräusch und der Geruch,
beides immer da, einerlei ob sie da waren oder nicht, ver-
lieh dem Dunkel draußen eine Unermesslichkeit, die ihre
frisch verbundenen Leben nie ausfüllen konnten. «Warum
erwartet man, dass jeder Champagner mag?», fragte er, ein-
geschüchtert von ihrem Schweigen. «Ich finde immer, er
schmeckt sauer.»
    Er konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten, er sah
nur die fein geschwungene Linie ihres

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