Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
Hauses mit ihrem gestutzten grauen Haar und
den oberen Augenlidern, die auf ihre Wimpern klappten.
Er hatte mit kleinen Frauen – Grammy, Elsie – im Allge-
meinen gute Erfahrungen gemacht.
    «Phyl hat uns erzählt, Sie seien ziemlich brillant da drü-
ben, an der anderen Hochschule.»
    «Oh, nein, ich bin nichts weiter als ein Student der Elektrotechnik, der sich weidlich abrackert. Ihre Tochter
dagegen –»
    «– ist klüger als die Professoren», beendete Carolyn
Goodhue den Satz für ihn. «Wir finden das so seltsam, Eus-
tace und ich – Mathematik, jahrelang dachten wir, das sei
nur so eine Phase, die sie durchlaufe, in einem schwierigen
Alter. Mädchen haben das ja, und im Gegensatz zu Jungen
kommen sie auf abwegige Ideen, wie sie rebellieren kön-
nen, und das immer mit diesem süßen Lächeln, dass man
ihnen nichts vorwerfen kann. Aber im Ernst, Liebes» – sag-
te sie zu ihrer Tochter –, «dein Vater und ich sind unheim-
lich stolz. Wir prahlen. Wir lassen uns nichts anmerken,
wenn unsere Freunde uns aufziehen und fragen, warum
ein Mädchen, das am Radcliffe College oder am Wellesley
mit offenen Armen aufgenommen worden wäre, oder am
Bryn Mawr, falls sie nicht mit Jungen zusammen studieren
wollte, warum so ein Mädchen flussabwärts gehen will, an
ein College, das so –»
    «Schmuddelig ist», beendete Owen für sie den Satz.
    «Mutter», intervenierte Phyllis, «wir sind schmuddelig,
weil wir die ganze Nacht aufbleiben und Sachen auswen-
dig lernen, und die meisten Jungen machen was mit ihren
Händen.»
    «Hoffentlich nicht zu viel», schnappte Mrs. Goodhue
und klappte rasch die Augen auf und zu, als Owen lachte:
Er hatte von Phyllis nie einen unanständigen Witz gehört,
irgendwie kamen sie ihr nicht in den Sinn.
    Ihre scheue gebeugte Haltung hatte Phyllis von Profes-
sor Goodhue geerbt. Bei ihm war diese Haltung allerdings
nicht der Versuch, übermäßige Schönheit zu verbergen,
sondern das organische Produkt eines am Schreibtisch oder
zusammengerollt lesend im Sessel verbrachten Lebens.         Mit dem Kinn auf der Brust wirkte er so, als hätte er keinen
Hals, und in der Mitte war er geschwollen wie ein altmo-
discher Tonkrug, während der Kopf nach vorn geneigt war,
als wollte er gleich eine Vorlesung von sich geben. Seine
Stimme war dünn und matt und produzierte ihr Geräusch
beim Einatmen, mit der gleichen Lungenbewegung, als
saugte er an einer Pfeife. In Owens begrenzter Sicht war er
jemand, der mehr in sich aufnahm, als er von sich gab, auch
wenn ein gelegentliches leises Lachen, wie das Krachen von
trockenem Leim in einer alten Bindung, als zustimmendes
Zeichen gedeutet werden konnte. Er reagierte mit Erstau-
nen auf Owens Erscheinen in seinem Haus und an seinem
Tisch, und er betonte dieses Erstaunen, womit er demon-
strierte, dass er mit höheren Dingen beschäftigt war. Elsie
Seidels Vater war mit einem zu zahnreichen Lächeln unter
dem kleinen Ganovenbärtchen durch seine Futtermittel-
und Eisenwarenhandlung gestürmt und hatte Owen mit
einem zu kräftigen und freundlichen Handschlag begrüßt,
der Feindseligkeit signalisierte und männliches Wissen
von dem, was Owen sich von seiner blühenden Tochter er-
sehnte. Eustace Goodhues Vorgehen war weit weniger auf
Konfrontation bedacht, es war kaum ein Vorgehen – mehr
eine liebenswürdig verwirrte Miene wie die eines Mannes,
der mit verstopfter Nase in einem Gewächshaus arbeitet
und nicht versteht, wieso all die Hummeln ans Glas flie-
gen. Phyllis hatte schon früher männliche Besucher ange-
zogen; ihrem Vater schien nicht bewusst, dass sie, gegen
Ende ihrer College-Laufbahn und angesichts der äußerst
begrenzten Aussichten für eine weibliche Mathematikerin,
ein Alter erreicht hatte, wo sie eine Entscheidung treffen
und ein ewiges Gelöbnis ablegen musste. Dieses Alter
wurde in Eisenhowers Amerika früh erreicht; die Frauen bekamen Kinder, als müssten sie eine Front beliefern, in
dieser Pionierzeit des Konsums. Wenn man eine Familie
gründete, Kinder bekam und einkaufte, versetzte man
damit unserem Feind, diesen hölzernen, repressiven An-
tikapitalisten hinter dem Eisernen Vorhang, einen Schlag.
Owen war bereit zu dienen, überzeugt, dass er die richtige
Frau gefunden hatte – die Mutter seiner Kinder, die För-
derin seiner beruflichen Laufbahn, den Engel, der einem
Haus vorstand, das besser ausgestattet sein würde als die
heruntergekommenen Unterkünfte, wie sie die Rauschs
und die Mackenzies sich in magereren,

Weitere Kostenlose Bücher