Landleben
weniger elektroni-
schen Zeiten hatten leisten können.
Owen verachtete Professor Goodhue eher dafür, dass er
seinen Schatz nicht feuriger verteidigte. In den über zwan-
zig Jahren, in denen er und der Mann Angehörige derselben
Familie waren und der ältere jeweils in perfekter Gleichzei-
tigkeit Großvater wurde, wie der jüngere wiederholt Vater
wurde, kam während der ersten zehn nur wenig Achtung
in Owen auf, der als Schwiegersohn die schattenhafte, ver-
hätschelte Rolle, die der Professor in seinem eigenen Haus
spielte, nun in vollem Umfang wahrnahm. Gewiss, letzten
Endes beruhten das Gewicht der Bücher und die eklek-
tischen, pittoresken Möbel auf der intellektuellen Arbeit
dieses Mannes, die zudem der Welt ein Sommerhaus in
Truro und alle zwei Jahre eine Reise nach Europa abgerun-
gen hatte. Doch schien er zu sehr in der Welt der Bücher,
in deren Vorstellungen und Fiktionen zu weilen, als dass er
große Wirkung auf die reale Welt hätte haben können.
Im zweiten Jahrzehnt dieser engen Bekanntschaft konn-
te Owen, dessen Wissen von der Welt sich vertieft hatte,
den geschickten Rückzug seines Schwiegervaters aus der
Frontlinie des Familienlebens besser würdigen, ebenso die gelehrte Leidenschaft, die so viele Vorlesungen und
sorgfältig überlegte kleine Aufsätze hervorgebracht hat-
te, zunächst in den beigefarbenen Heften akademischer
Vierteljahresschriften und anschließend gesammelt in den
dicken, keuschen Bänden derselben Universitätsverlage,
die auch mehrere Anthologien des Professors und seine
kritische Biographie George Herberts herausgebracht hat-
ten. Diese Jahre, in denen Eustace Goodhue von der Mitte
des Lebens zur Pensionierung voranschritt, bewirkten nur
wenig Veränderungen bei ihm, aber große Veränderungen
bei Owen, der sich vom naiven Jüngling zum reifen, er-
fahrenen Mann mittleren Alters entwickelte. Sie wurden
zwei mehr oder weniger ebenbürtige Männer und hatten
die wohltuende Zuneigung von Menschen füreinander,
die gemeinsam eine gefahrliche Reise überstanden haben.
Owen, selbst Vater zweier Töchter, sah schließlich, wie sehr
die Bindung – durch Biologie und kleinstädtische Weisheit
der Menschheit – geschwächt wird: Jede Zelle im Körper
des alternden Vaters wünscht sich sehnliehst, die Tochter
einem anderen Mann anzuvertrauen, einem Mann ihrer
Generation, der, ohne Tabus zu verletzen, die elementaren
Akte vollziehen kann, wie sie der Kreislauf der Generatio-
nen verlangt.
In Professor Goodhues’ geistesabwesender Gefälligkeit
lag etwas, das zu jener Zeit von deren Nutznießer nur un-
deutlich wahrgenommen wurde – der zweifelhafte Spaß
an den sexuellen Transaktionen anderer, ein polymorphes
Teilen, das nicht nur bei Hochzeiten augenfällig ist, wo
weinende Eltern und ehrfurchtsvolle Brautjungfern sich
vereinen, um die Braut den ehelichen Mysterien zu über-
geben, sondern auch bei vornehmen Erwachsenenpartys,
wo es Gewohnheit ist, Eheleute nicht nebeneinander, son- dern neben die Ehegatten anderer zu setzen und somit zu
potenzieller Konfusion und außerehelichen Überschrei-
tungen zu verleiten. Kurz, Kopulation ist ein so mäch-
tiges und mit höchster Priorität bedachtes Ereignis, dass
wir nicht nur aus dem eigenen Geschlechtsverkehr Lust
beziehen, sondern auch aus dem anderer – selbst aus dem
einer Tochter oder einer Ehefrau, die von uns wegstrebt in
die sexuelle Raserei. In ihrer distanzierten Schönheit war
Phyllis eine Frucht, deren Stiel schwächer war, als es den
Anschein hatte; sie fiel Owen zu seiner Bestürzung eher zu,
und ihr Widerstand war geringer, als er erwartet oder, auf
einer tieferen Bewusstseinsebene, gehofft hatte.
All dies wurde erst im Nachhinein erkennbar. Damals,
als ihre Rückkehr in Phyllis’ Elternhaus ihnen mehr Gele-
genheit zu intimem Beisammensein gab, als das Haus 120
Bay State Road oder in Bexley Hill geboten hatte, emp-
fanden sie sich als kühn und verstohlen. Sie stellten sich
vor, es hätte Phyllis’ Eltern schockiert, sie zu sehen, so wie
es auch Gott schockiert hätte, wenn er geruht hätte, ihnen
zuzuschauen. Owen mit seiner verstohlenen Religiosität,
die er von seinen frommen Großeltern geerbt hatte, war
sich nicht sicher, ob Gott nicht doch über sie wachte, etwa
so wie er über das Haus in Willow in seiner Schneekugelsi-
cherheit gewacht hatte. Wie der vibrierend grüne Strahl ei-
nes Sciencefiction-Gewehrs oder wie der rubinrote Laser,
den die Wissenschaft tatsächlich im nächsten
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