Landluft für Anfänger 01: Großstadtmädchen haben's schwer
Ich schlucke ein Stück Möhre herunter. Ein Gespräch! Ich könnte jetzt zum Angriff übergehen, aber ich sage betont salopp: »Wir sind eben ein eingespieltes Team, oder?« Michael nickt.
»Ich weiß, dass das alles nicht leicht ist für dich, Iris.« Ich merke, dass sich irgendetwas in mir zuschnürt. Der Appetit auf Steak ist verschwunden, und auch das Stück Spargel, das schon auf der Gabel steckt, schiebe ich nur pro forma in den Mund. Weil ich es nicht wieder zurücklegen will. Ich beiße zwei-, dreimal fest drauf und zwinge mich, es runterzuschlucken.
»Es tut mir leid, dass du es auf diese Weise erfahren hast. Wirklich. Ich wollte es dir sagen, aber es war nie … Ich wollte erst … Vermutlich war es ein Freudscher, dass ich dir aus Versehen die SMS geschickt hab. Ich wollte, dass du es endlich weißt.«
»So lange ging es ja nun auch noch nicht. Eine Woche …«, sage ich schnell. Ich kann Mitleid wirklich nicht ertragen. Michael guckt erstaunt. »Ich verstehe nur nicht, warum es ausgerechnet meine Assistentin sein musste. Du siehst doch noch gut aus, du hättest sicher viele jüngere Frauen gefunden, um, du weißt schon, dein Mütchen zu kühlen.« Was rede ich da eigentlich?!
Kurzes Schweigen. Dann sagt Michael: »Iris, ich glaube, du verstehst da was nicht.«
»Also, im Allgemeinen habe ich eine ganz gute Auffassungsgabe, oder? Dass Männer ab und zu mal eine kleine Bettgeschichte …« Ich breche ab. Erstens, weil ich da gerade ein haarsträubendes und noch dazu frauenfeindliches Klischee bemühe. Zweitens, weil Michael so komisch guckt.
»Iris.«
»Michael?«
»Ich liebe Alice.«
BOFF. Voll in die Magengrube. Mir entfährt ein kleiner hysterischer Lacher. Ich sollte mit der Weinschorle aufpassen. Habe trotz Schlaftabletten wenig geschlafen in den letzten Nächten. Übermüdet verliert man schneller die Fassung. Oh Gott. Hat er das wirklich gesagt? Ich ertappe mich dabei, dass ich meinen Ehemann anstarre.
»Und was soll das jetzt heißen?«
22:00. Ein paar Kilometer weiter, auf Mias Bett
Laura meinte, da wäre das letzte Wort noch nicht gesprochen. Ich sollte doch selbst noch mal mit dem Chef reden. Mein Gefühl sagt mir, da ist nichts mehr zu machen. Genauso schnell, wie du drinnen bist, bist du auch wieder draußen. Na ja, vielleicht ist es besser so. Ich wollte ja nie so wirklich Karriere … Wenn nur nicht der Rest meines Lebens auch wie ein Kartenhaus zusammenfallen würde. Oh, wer schreibt?
SMS von LAURA an MIA
Danke, Rehlein, fürs Packenhelfen. Ist jetzt alles verstaut. Kommst du morgen zum Winken? Ich drück dich. L. P.S.: Wir haben noch Kisten übrig. Die kann Matti gerne haben.
AHHHH!
22:30. Berlin. Iris’ Hotelzimmer
Wieso tut er mir das an? Bedeutet ihm das alles, was wir zusammen aufgebaut haben, überhaupt nichts mehr? Denkt er, ich habe überhaupt keine Gefühle? Ich meine, es stimmt schon. Gefühlsduselei und ich, wir sind einander noch nicht vorgestellt worden. Aber gerade habe ich das Zahnputzglas fallen lassen, weil ich so gezittert habe. Die Ohnmacht ist unerträglich. Man bringe mir Kampfer oder eine Waffe, mit der ich Michael und Alice einen möglichst schmerzhaften Tod bereiten kann. Als hätte es nicht gereicht, dass das Wort »Liebe« im Zusammenhang mit dieser falschen Schlange gefallen ist. Nein, das Ganze musste noch durch die Offenbarung getoppt werden, dass Alice morgen hier angereist kommt, damit mein Ehemann ein verliebtes Berlin-Wochenende mit ihr verbringen kann. Er hat seinen Rückflug storniert (Kosten: 500 Euro. Plus eine neue Knirschschiene für mich nach dieser Nacht) und hat ein anderes (vermutlich wahnsinnig romantisches) Hotel gebucht. Ein bisschen Abstand täte uns gut, hat er zu seiner Rechtfertigung gesagt. Damit wir bald in Ruhe überlegen können, wie es weitergehen soll. Aaaah! Ich werde kein Auge zumachen. Ich brauche eine Schlaftablette! Nein, zwei!
2:30. Mias Bett
Ich muss jetzt endlich schlafen, schließlich muss ich morgen um sieben Uhr raus. Nur um Mattis blödes Auto zu holen. An einem Samstag. Den Saab hätte er mir wirklich schenken können, schließlich habe ich ihn damals ausgesucht, er hätte einen praktischen Toyota genommen (das geht gar nicht!). (Mia, sei froh, dass Matti bei seiner Kfz-Versicherung angegeben hat, er wäre gefahren. Sonst hättest du statt der 500 Euro Selbstbeteiligung knappe 3000 Euro an Matti überweisen müssen! Und woher hättest du die genommen? Eben.) Na ja, jetzt holt ihn irgend so ein Typ am
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