Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
Motorsäge zum Zahnarzt? Säge raus, Kleinholz machen, zur Seite schmeissen, Krone in den Wald zerren. Das üben wir dann noch bei zwei weiteren Bäumen bis der Weg frei ist. Mit nur 30 Minuten Verspätung - okay, wir sind recht früh losgefahren - komme ich verdreckt und italienisch pünktlich zum Bohren.
Am nächsten Morgen kommen drei Freunde und mit drei Sägern und zwei Schleppern lichten wir den Dschungel und räumen zwölf entwurzelte Bäume aus dem Weg.
Heißt es nun Landlust oder Landfrust?
Zumindest habe ich fast gewonnen. Wir einigen uns auf orkanartige Böen. Bäume fielen, aber zumindest gab es keinen äußerlichen Dachschaden.
Beste Gelegenheit mal wieder für Brennholz zu sorgen. Wer das nie gemacht hat, weiß gar nicht, wie wertvoll ein fertiges Scheit ist. Ich habe ausgerechnet, dass wir vom Fällen bis zum Stapeln jedes Stück Holz acht Mal in der Hand hatten! Inklusive aufladen auf den Traktor, abladen, spalten, schichten am Holzplatz, zweiten Transport bis an die Hauswand und bei Bedarf ins Haus tragen. Und dann? In den Ofen – und puff! – ist er verbrannt.
Es wäre viel schöner, eine Gasheizung anzuschaffen und die gestapelten Holzreihen, in denen so viel Arbeit steckt, anzustaunen.
So ändert sich der Ausgewilderte. Früher war man stolz auf – ich weiß nicht, auf irgendetwas – und heute auf ein Holzscheit.
Ist das bedenklich? Vielleicht.
XXVI
Wir sind eingeschnei t - und ich bin sehr froh über das viele gestapelte Holz.
Es fing ganz harmlos an, mit weiß überzuckerten Oleander und Olivenbäumen. Die sehen geradezu surreal aus. Schnee im Land, in dem die Zitronen blühen? Gut, die Zitronenbäumchen befinden sich seit Tagen in Gesellschaft ebenso empfindlicher Pflanzen im muckelig warmen Gästezimmer.
Nachts, in aller Heimlichkeit, kam dann der große Schnee. Schlaftrunken komme ich morgens die Treppe runter und schaue auf eine weiße Tür. War die nicht gestern noch aus Glas? Mit Blick über Terrasse und grüne Hügel bis zum Meer?
Ich öffne sie – sie war wieder aus Glas - und stehe vor einer weißen Wand aus Schnee. Tür wieder zu, Kaminofen anzünden, Tee kochen und in Ruhe frühstücken.
Doch ewig können wir die Wirklichkeit nicht ausblenden.
Die Analyse mit Blick aus den Fenstern ergibt: So viel Schnee kann es nicht sein, da auf der hinteren Wiese höchstens 50 cm liegen. Das Problem: Sämtliche Schaufeln befinden sich im ca. 20 Meter entfernten Werkstatthäuschen.
Also eingemottete Skiklamotten anziehen und irgendwie hinein in den Schnee. Nach einem halben Meter haben wir den Durchblick. Schneewehen, bis zu zwei Meter hoch, erreichen die Wein-Pergola, versperren den Weg zu Werkstatt und – noch schlimmer – zum Holzplatz. Oleander sind im Weiß verschwunden, die Kronen der Olivenbäumchen lugen gerade noch so aus der weißen Pracht heraus.
Wir kämpfen uns also bis zu den Schaufeln und graben mit denen Gassen zum Haus, zum Holzplatz und zum Auto. Warum zum Auto? So weit wir sehen können, reihen sich meterhohe Schneewehen aneinander. Da helfen weder Winterreifen noch Allrad.
Zurück im Haus, machen wir uns Mut. Die Vorräte reichen ein paar Tage, wir haben Strom und Wasser. Was also soll passieren? Machen wir es uns gemütlich. Schließlich sind wir im sonnigen Süden. Morgen wird alles dahingeschmolzen sein…
Ist es nicht. Und fließendes Wasser gibt es auch nicht mehr. Wir suchen alle Eimer und größere Gefäße zusammen, füllen sie mit Schnee und drapieren sie rund um den Kaminofen. Ein bizarres Stillleben.
Es dauert verdammt lange, bis dieser verdammte Schnee zu Wasser wird. Bleibt nur, auch Kochtöpfe zu füllen und auf den Herd zu stellen. Hoffentlich hält die Gasflasche noch ein paar Tage…
Und wie viel Wasser bleibt von einem ganzen Eimer voll Schnee übrig? Fast nichts. Es braucht mindestens fünf Eimer Schnee, um einmal die Toilette spülen zu können.
Tee und Kaffee, zubereitet mit Schneewasser, schmecken exquisit. Das ist ja nun wirklich so exklusiv, dass es ein manieriertes Wort wie „exquisit“ eigentlich verdient.
Nur, ganz ehrlich gesagt, stimmt das überhaupt nicht. Im Gegenteil, es ist unglaublich wie viel Dreck in diesem blütenweißen Schnee steckt. Heißt: vor dem Kochen muss das Wasser gefiltert werden.
Mittlerweile sind wir seit sieben
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