Landnahme
seiner Meinung nach tatenlos seine Werkstatt hatte abbrennen lassen, sagte der Polizist aus der Kreisstadt: »Wir tun alle, was wir können, Bürger.«
»Oder auch nicht.«
»Ich verstehe Sie nicht, Herr Haber. Ich weiß nicht, was Sie damit sagen wollen.«
»Wenn Sie hier leben würden, wüssten Sie es.«
»Na schön, Bürger. Ein paar Auskünfte brauche ich von Ihnen. Und später, wenn wir die Brandstelle untersucht haben, wird es sicher noch ein paar Fragen an Sie geben.«
»Die nennen sich Feuerwehr und stehen nur rum und lassen alles abbrennen.«
»Da war nicht viel zu machen. Ein reiner Holzbrand, da richtet keiner was aus.«
»Wenn man nicht will, sicher nicht.«
»Alle tun, was sie können. Zuallererst müssen wir an das Menschenleben denken. Und hier konnte keiner etwas machen. War das Ihre Scheune?«
»Nein. Sie war gepachtet. Mir gehörte lediglich die Werkstatt.«
»Sie sind Tischler?«
»Ja.«
»Heute ist alles elektrisch. Darum passiert so viel.«
»Ich habe meine Werkstatt nicht angezündet«, sagte der Tischler empört.
»Das habe ich nicht gesagt. Das werden wir sehen. Das werden wir alles feststellen, Herr Haber«, erwiderte der Polizist bedeutungsschwer, »ich sage Ihnen, die Leute wundernsich immer wieder, was wir nach einem Brand alles beweisen können. Man glaubt, alles ist restlos vernichtet, und wir finden in der Asche den lückenlosen Beweis. Wir arbeiten heute mit Methoden, da bleibt uns nichts mehr verborgen, da klären wir alles auf. Mord und Totschlag und Brandstiftung, wir klären alles auf, Bürger.«
»Ich war es jedenfalls nicht. Das kann ich bei Gott beschwören.«
»Mit Gott hat das überhaupt nichts zu tun, den können Sie rauslassen. Wir klären das wissenschaftlich.«
»Warum sollte ich meine eigene Werkstatt in Brand stecken?«
»Es muss keine Absicht sein, Bürger. Auch fahrlässige Brandstiftung ist strafbar.«
»Fahrlässige Brandstiftung? Was wollen Sie damit sagen?«
»Vorläufig sage ich gar nichts. Zuerst müssen wir die Brandstätte untersuchen, und wenn es sich herausstellen sollte, und ich will es für Sie nicht hoffen, dass in der Scheune irgendeine Elektrik nicht abgeschaltet war, dann, guter Mann, dann können Sie von Glück reden, wenn kein Menschenleben zu beklagen ist. Und wenn es privater Besitz ist, wie Sie sagen, dann haben Sie noch mal Glück. Wäre das Volkseigentum, dann könnte ich nur sagen: Zuchthaus ist nicht schön.«
»In der Werkstatt war alles ausgeschaltet. Wie immer zum Feierabend. Das muss man einem erfahrenen Tischler nicht beibringen, das hat er im Blut.«
»Das sagen Sie. Ich verlasse mich lieber auf meine Untersuchungen.«
»Das ist nicht nötig.«
»So? Und warum nicht?«
»Alle Maschinen waren abgestellt.«
»Dass Sie glauben, Sie hätten alles abgestellt, das mag ja sein. Vielleicht haben Sie jeden Tag alles abgestellt, doch einmal nicht. Heute.«
»Ich kann es Ihnen beweisen.«
Herr Haber kramte etwas aus seiner Jackentasche hervor und hielt es dem Polizisten unter die Nase.
»Was ist das?«
»Das ist eine Sicherung.«
»Ja und? Was soll das beweisen?«
»Das ist eine von drei elektrischen Sicherungen. Ich schraube sie jeden Abend aus und jeden Morgen wieder ein. Das habe ich meinem Bauern versprochen. Und so habe ich es schon gehalten, als ich meine eigene Werkstatt besaß, damals, in der Heimat. Jeden Abend schraubte ich sie raus und jeden Morgen schraubte ich sie wieder ein.«
»Das wird man sehen. Wird alles festgestellt werden. Wenn Sie die Sicherung rausgeschraubt haben, gut. Vielleicht war die ganze Anlage nicht sicher.«
»Die ist ein Jahr alt. Oder vielmehr, die war ein Jahr alt. Ich hatte alles neu legen lassen. In der Scheune gab es früher keinen Strom, der Bauer brauchte das nicht. Und das habe ich alles bezahlt. Ich musste die Leitung hier raus legen lassen, einen Mast setzen und die Drähte, dreihundert Meter, das habe ich alles selber bezahlen müssen. Das war so teuer wie eine neue Fräse.«
»Ja, dann«, sagte der Polizist und verstummte. Er warf einen Blick auf den Tischler, steckte sein Schreibheft in die Tasche und starrte schweigend in den rotglühenden Aschehaufen.
»Es war Brandstiftung«, sagte Herr Haber schließlich.
Der Polizist pfiff durch die Zähne. Er verzog den Mund und sagte, ohne den Blick von den qualmenden Überresten der Scheune zu wenden: »Das wird sich herausstellen. Das werden die Untersuchungen zeigen. Keine voreiligen Beschuldigungen, Bürger.«
Der Polizist
Weitere Kostenlose Bücher