Landung ohne Wiederkehr
führten, war es in ihren Gedanken zu finden: Ammoniak.
Es hatte sich in ihr kollektives Bewußtsein gedrängt, seit sie an jenem unseligen Tag gegen alle Wahrscheinlichkeit eine Notlandung zustandegebracht hatten.
Defekte konnten immer auftreten; auf jeder Reise rechnete man damit, daß dies oder jenes passierte – aber eines nach dem anderen. Ein Kurzschluß legt mehrere Stromkreise lahm – das läßt sich mit einigem Zeitaufwand reparieren. Ein Meteoriteneinschlag beschädigt das Kühlsystem des Fusionsgenerators – auch das kann man reparieren, wenn man sich Zeit nimmt. Eine Bahnberechnung wird unter Streß fehlerhaft ausgeführt, und eine momentan unerträgliche Beschleunigung reißt Antennen und andere Installationen aus ihren Halterungen und betäubt die Besatzung – aber Antennen und Geräte können ersetzt und wieder angebracht werden, und Benommenheit verliert sich mit der Zeit von selbst.
Die Chancen, daß alle drei Ereignisse auf einmal eintreten, sind gering, und noch geringer ist die Wahrscheinlichkeit, daß diese Verkettung unglücklicher Zufälle in eine Phase schwieriger Annäherungsmanöver fällt, wenn es an der einzigen gültigen Währung für die Berichtigung aller Fehler, nämlich der Zeit, am meisten mangelt.
Im Falle der Juno wurde diese eine Chance unter vielen Wirklichkeit, und ihr gelang mit Mühe und Not eine letzte planetarische Landung, von der sie sich nie wieder erheben würde.
Daß sie halbwegs intakt heruntergekommen war, stellte für sich selbst ein kleines Wunder dar. Für die fünf Besatzungsmitglieder war das Überleben zumindest während einiger Jahre gesichert. Darüber hinaus konnte nur die zufällige Annäherung eines anderen Schiffes helfen, doch damit rechnete niemand. Jeder von ihnen hatte seinen Teil an Zufällen erlebt, und alle waren unglücklich gewesen.
Das war das.
Und das Schlüsselwort hieß »Ammoniak«. Als ihnen die Oberfläche in langsamen Spiralen entgegenkam und ein barmherzig rascher Tod mehr als wahrscheinlich schien, fand Chou irgendwie die Zeit, den Absorptionsspektographen zu beobachten, der noch anzeigte.
»Ammoniak!« rief er. Die anderen hörten ihn, hatten aber keine Zeit, sich darum zu kümmern. Sie kämpften verbissen gegen einen schnellen Tod – zugunsten eines langsamen.
Als sie schließlich auf sandigem Boden mit spärlicher bläulicher(?) Vegetation landeten, umgeben von schilfigem Gras, knorrigen, blätterlosen Gewächsen mit bläulicher Borke und einer vom dünn pfeifenden Wind nur betonten absoluten Stille unter einem wolkengestreiften grünlichen (grünlichen?) Himmel, fiel ihnen das Wort wieder ein.
»Ammoniak?« fragte Petersen langsam.
»Vier Prozent«, sagte Chou.
»Unmöglich.«
Aber es war nicht unmöglich. Nirgendwo stand geschrieben, daß es unmöglich war. Ein Planet von einer bestimmten Masse und Temperatur war fast immer ein wasserreicher Planet und hatte eine von zwei Atmosphären: Stickstoff-Sauerstoff oder Stickstoff-Kohlendioxyd. Im ersteren Fall gab es fortgeschrittenes Leben; im letzteren Fall war es primitiv.
Diese Erfahrung hatte sich so oft bestätigt, daß man sich meistens mit der Untersuchung von Masse, Volumen und Temperatur begnügte. Eine Atmosphäre dieses oder jenes Typs setzte man als selbstverständlich voraus. Aber die wissenschaftlichen Lehrbücher sagten nicht, daß es so sein mußte, sondern nur, daß es immer so war. Andere Atmosphären waren thermodynamisch möglich, aber äußerst unwahrscheinlich, und so pflegte man sie in der Praxis auch nicht anzutreffen.
Bis jetzt. Die Männer der Juno hatten eine gefunden und mußten den Rest ihres Lebens in einer Stickstoff-Kohlendioxyd-Ammoniak-Atmosphäre zubringen.
Die Männer wandelten ihr Schiff in eine unterirdische Blase um, in der erdähnliche Lebensbedingungen herrschten. Sie konnten nicht von der Oberfläche abheben, und eine Reparatur des stark beschädigten Senders konnte ihnen kaum helfen, da es Jahre dauern würde, ehe seine Notsignale die Heimat erreichen und Hilfe mobilisieren könnten. Doch die meisten anderen Bordsysteme konnten hergerichtet und wiederverwendet werden. Um die Mängel des Erneuerungssystems auszugleichen, konnten die Gestrandeten sogar innerhalb gewisser Grenzen auf die Luft und das Wasser des Planeten zurückgreifen, vorausgesetzt, sie entzogen ihnen zuvor den Ammoniakanteil.
Sie unternahmen Forschungsexpeditionen, da sich ihre Anzüge in ausgezeichnetem Zustand befanden, und solche Unternehmungen halfen
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