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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Tochter Anna für eine Darbietung auf der Violine empfohlen. Als Gäste des Grafen waren wir – wider Willen der Gastgeber – ebenfalls eingeladen. Jede Höflichkeit, die wir irgendjemandem im Ort erweisen konnten, war uns recht, denn so ließ sich Stück für Stück der Riss in unserer gesellschaftlichen Fassade wieder schließen.
    So fanden wir uns also inmitten all dieses elitären, affektierten Verhaltens mit Weingläsern und Kanapees in den Händen wieder und balancierten wortgewandt zwischen den ortsansässigen wie den von auswärts angereisten Bürgern edleren Standes oder höherer Bildung. Das Anwesen der Ehlerts war beträchtlich. Eine schöne, geräumige Villa mit vielen barocken Elementen. Mittelpunkt der Veranstaltung war ein Salon voller Ölgemälde, in dem wir uns wiederfanden, als man uns höflich, aber bestimmt darauf hinwies, dass der musikalische Anteil des Vormittages gleich beginnen werde. Salandar, Hagen und ich nahmen in der letzten Reihe Platz und hofften, dass dem Getue, dem sich die Gesellschaft von Rang und Namen stets hingab, wenigstens durch die Musik etwas Abwechslung widerfahren würde. Immerhin hatten wir an diesem Vormittag die hohen Herren von Leyen einmal persönlich kennenlernen dürfen, wenn auch in vielen Fällen zu deren Widerwillen.
    In Leyen waren fünf äußerst begüterte Kaufmannsfamilien ansässig, oder vielmehr vier, wenn man die verwitwete Frau Conradi nicht dazu zählte, deren Wohlstand aber dennoch zählbar zu sein schien. Die übrigen waren Familie Claussen, Familie Bergholz, Familie Gode – bei denen unser Freund, der hinterhältige sprechende Kater, sein Zuhause gefunden hatte – und natürlich unsere Gastgeber, die Ehlerts. Sie alle förderten die musikalische Erziehung ihrer Kinder ganz besonders, genau so wie auch die reicheren Familien aus den umliegenden Ortschaften. Es war ein langweiliges Elend, und als wir uns gesetzt hatten und um Ruhe gebeten worden war, ging es meinem Herzen wohler, da die höhere Gesellschaft ihr Gehabe im Grunde selbst abstoßend fand.
    Neben uns nahm Pastor Steinberg Platz. Offenbar bemerkte er diesen Umstand zu spät und war darüber nicht sehr glücklich, was mich wiederum grimmig belustigte.
    Nachdem die Herrin des Hauses, Mechthild Ehlert, schließlich für andächtige Ruhe gesorgt hatte, zeigten die Kinder des Geldadels auf äußerst gehobenem Niveau ihr Können, und meine Gefährten und ich mussten uns eingestehen, dass das, was wir hier hörten, musikalisch tatsächlich äußerst erwähnenswert war. Darüber hinaus sorgte es auch für beträchtlich mehr Kurzweil als das gesellschaftliche Wortgeplänkel.
    Nachdem eine Reihe Kinder oder junger Erwachsener ihr Können an Cembalo, Flöte, Bratsche und Cello unter Beweis gestellt hatten, war es an Anna von Eulenbach, das geneigte Publikum mit den Klängen ihrer Violine zu begeistern. Allen voran natürlich Hagen, dessen Blicke die Grafentochter, die über ihre ungewöhnliche Schönheit und ihren Stand hinaus auch noch ein unvergleichliches Talent für Musik besaß, ganz offensichtlich anbeteten.
    Doch dies war der Moment, der uns alles hier über den Kopf wachsen ließ und uns gleichzeitig wieder auf den Plan und in die Gunst der Leyener Bürger brachte.
    Denn während die bezaubernde Anna eine Bach-Fuge zum Besten gab, flackerten auf einmal die Kerzen in den Kandelabern und Wandhaltern, und ehe man es sich versah, stand eine Frau im Zimmer. Sie war seltsam blass, und ihr Haar fiel ihr über das Gesicht, doch jeder von uns dreien wusste auf der Stelle, was wir sahen. Die Leyener Oberschicht offenbar nicht. Es dauerte einen Augenblick, bis Schreie ertönten, doch da war es schon zu spät. Die Frau, deren altes, mit Schmutz beflecktes Kleid nicht in das Bild der restlichen Anwesenden passen wollte, hatte etwas wie eine dünne Schnur oder einen Draht gezogen und in Windeseile um den Hals der sitzenden Mechthild Ehlert gelegt.
    Wir sprangen auf.
    „Hast du Salz mit?“, schrie Hagen, aber ich schüttelte den Kopf.
    Salandar war schon auf den Geist zugestürmt, um an dem Ding zu zerren, mit dem jener Frau Ehlert erdrosselte. Er war bei ihr, noch bevor jemand anderes seine Überraschung überwunden hatte und überhaupt zu irgendeiner Reaktion fähig gewesen wäre.
    Er griff nach der Kehle der Kaufmannsgemahlin, doch die Geisterfrau wischte mit der Hand durch die Luft, und unser massiger Freund flog in hohem Bogen durch den Salon und landete rücklings auf dem Cembalo, das krachend

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