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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Der Bartscherer hatte der Liebe zum eigenen Geschlecht gefrönt. Dem Dichter waren hinter vorgehaltener Hand diverse Orgien und andere Exzesse nachgesagt worden, außerdem war auch er von Zeit zu Zeit Gast im Bordell gewesen. Da unter gewissen Prämissen jedoch nur der Bund der Ehe zur Ausführung bestimmter Akte berechtigte, hatte er von dieser Warte aus betrachtet ebenfalls über die Stränge geschlagen. Für Madame Ellen galt dies ohnehin, schließlich hatte sie mit einem gottlosen Geschäft auch noch Gewinn gemacht. Schnöder Mammon.
    Eigentlich konnte es nur der Pfarrer gewesen sein, der hier was auch immer beschworen hatte. Aus seiner Sicht wahrscheinlich ein biblischer Racheengel oder etwas Ähnliches. Gottes Strafe für die Ruchlosen. Seine flammende Predigt gegen die Unmoral am vergangenen Sonntag war Beweis genug für seine Haltung gewesen.
    Wir mussten nur herausfinden, auf welche Art von dunklem Okkultismus er sich da eingelassen hatte. Wenn er einen Geist beschworen hatte, musste er die nötigen Formeln kennen, Aufzeichnungen oder Grimoires besitzen und über einen Ort verfügen, an dem er die Beschwörung ausgeführt hatte. Was lag da näher als das Pfarrhaus, das der unverheiratete Mann alleine bewohnte?
    Also hatten wir gewartet, bis sich Leyen quasi gänzlich zum nächsten Sonntagsgottesdienst in der Kirche versammelt hatte, und waren in des Pastors Behausung eingestiegen. Gerade so, wie Schurken und Halsabschneider es gerne taten.
    Doch hatten wir bisher nichts gefunden. Wir hatten Regale voller Bücher durchforstet, hatten Unterlagen und Sekretäre auf den Kopf gestellt. Wir hatten jeden Raum akribisch durchkämmt, waren aber auf keinerlei Anhaltspunkte für frevelhafte Taten des Geistlichen gestoßen.
    „Verdammt!“, fluchte ich und trat gegen einen Schemel.
    „Vielleicht hat er einen Ort außerhalb seines trauten Heimes, den er für solch delikate Angelegenheiten aufsucht“, gab Marius zu bedenken, während er von einem hohen Schrank auf eine Kommode sprang und dabei den Staub eines Haushalts aufwirbelte, zu dem keine Frau, aber augenscheinlich ein argwöhnischer Gott gehörte.
    Hatte ich mich verrannt? Oh, wie bitter!
    „Sinnlos“, gab ich schließlich zu. „Am besten räumen wir auf, bevor ...“
    „Bevor was?“, fragte jemand hinter mir in einem scharfen Tonfall.
    Ich sah auf und sah Calaminus mit einer erhobenen Faustfeuerwaffe in der Hand, neben ihm stand der völlig entgeistert dreinblickende Pastor Steinberg. Hinter ihnen erschien eine schlanke Frau im Türrahmen, groteskerweise in grüner Jägeruniform, mit wildem, schwarzem Haar und einer Büchse im Anschlag.
    „Ich fürchte, ich schulde Ihnen eine Erklärung ...“, begann ich stammelnd.
    „Das würde ich auch so sehen“, lächelte Calaminus grimmig. „Haben Sie gerade mit der Katze gesprochen?“
    Ich zuckte die Achseln.
    „Warum nicht?“
    „Nein, Sie Depp! Ich meine, ob die Katze mit Ihnen geredet hat.“
    Ich sah ihn an, als habe er den Verstand verloren. „Warum sollte sie?“
    Marius maunzte zur Unterstreichung, und ich war mir meinerseits nicht ganz sicher, ob mir zum Lachen oder zum Heulen zumute war. Wir hatten es soeben ziemlich gründlich verbockt, und es würde uns eine Menge Erklärungsvermögen abverlangen, uns hier wieder herauszuwinden.
    Wir waren nicht nur überflüssigerweise ins Pfarrhaus eingebrochen, nein, wir hatten uns auch noch dabei erwischen lassen. Natürlich hatten wir Calaminus und Rosenthal nichts von unserem Vorhaben erzählt, denn die beiden feinen Herren hätten uns gehörig was gehustet, wenn wir ihnen hätten weismachen wollen, dass wir ganz dringend in des Pfarrers trautes Heim einzubrechen hätten.
    Das würde spaßig werden ...

    Tatsächlich war Thaddäus von Eulenbach alles andere als angetan. Vor einem Tribunal, bestehend aus den beiden Polizisten, Pastor Steinberg und – zu Hagens Leid – der schönen Anna von Eulenberg, bekamen wir gehörig die Leviten gelesen. Am Ende gewährte uns der Graf zwar Amnestie für unser Verhalten, aber wir hatten zu schwören, in Zukunft sehr viel diskreter vorzugehen. Zum völligen Unverständnis der beiden Polizisten ließ er es dabei bewenden.
    Wir standen also wieder mit leeren Händen da. Schlimmer sogar: Unser Ruf in Leyen würde gehörig unter unserer fehlenden Vorsicht leiden. Was für ein unerquicklicher Tag. Amen.
    Die Jägerin Maria Regener hatte uns verraten. Zu dumm auch. Wie hätte wir denn darauf kommen sollen, dass die verwaiste

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