Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)
Zeitraum. Zumindest so in etwa.“
Salandar warf mit einer hölzernen Bücherstütze nach dem Sessel, von dem ein braungetigerter Kater in Windeseile aufsprang und sich hinter der Lehne in Sicherheit brachte.
„Verpennter Kater“, schalt Salandar. „Wo warst du?“
„Zuhause vor dem Kamin“, kam die unsichere Antwort von der Rückseite des Sessels.
Ich fasste Salandar am Arm, als der nach der zweiten Bücherstütze greifen wollte. „Lass ihn!“
„Danke“, rief Marius hinter dem Sessel hervor.
Salandar schnaubte, und für eine Weile waren das stürmische Toben des Herbststurmes draußen und das Flackern des Kamins drinnen die einzigen Geräuschquellen, während sich das Gemüt meines bulligen Freundes langsam wieder auf das Normalmaß abkühlte.
Dann klangen von Ferne die leisen, harmonischen Melodien einer Violine durch das Anwesen. Ich wusste, wer die Grafentochter gerade dazu ermunterte, wieder zu spielen, trotz des erschreckenden Vorfalls mit der Geigensaite als Mordinstrument.
„Hagen!“, donnerte Salandar, und die zweite Bücherstütze flog gegen die Tür zum Flur.
„He!“, protestierte ich.
„Ist doch wahr“, grummelte Salandar. Er schlurfte ein paar Schritte und ließ sich in den Ohrensessel fallen, in den Marius sich noch nicht wieder zu legen gewagt hatte.
„Unser junger Tölpel sollte sich lieber Gedanken machen, wie wir hier vorwärts kommen, anstatt sich charmant um das Wohl der kleinen Anna zu kümmern.“
„Erstens“, wandte ich ein, „ist Anna nicht klein, und zweitens kann ich Hagens verliebte Augen im Moment nicht ertragen. Er verzehrt sich ja förmlich nach der Tochter unseres Gastgebers, und solange der Graf ihn lässt ...“
„Was dann? Glaubst du, der Graf weiß davon?“
„Vielleicht steckt ihm seine britische Dienerschaft, wie fürsorglich der junge Gast sich um Annas Wohl bemüht.“
„Meinst du, die würden ihre Herrin verraten?“
Ich zuckte die Achseln. „Wer weiß? Ich hoffe nur, Hagen stellt nichts Dummes an ...“
Auf Salandars Gesicht wuchs ein breites, schelmisches Grinsen. „Du meinst, solange sie musiziert, kann sie wohl kaum auf den Gedanken kommen, etwas Sinnlicheres zu tun?“
„Was mit ziemlicher Sicherheit das Ende unseres Auftrags wäre.“
„Ja, und unseres guten Rufes.“
„Hatten wir je einen?“
„Zumindest nicht, was unser Benehmen angeht.“
„Aber für Benimm werden wir auch nicht bezahlt.“
Salandar nickte und suchte mit seinem Blick Marius.
„Mögen sprechende Katzen eigentlich Streicheleinheiten?“, fragte er, ein wenig boshaft vielleicht.
„Durchaus“, kam es vom Schreibtisch, auf dem Marius indessen in einem von Salandars Folianten las. „Aber unter den gegebenen Umständen betrachte ich das Holz dieses Eichentischs als durchaus bequeme Zwischenlösung, lieber Artifex Magicae.“
„Hör auf, mich so zu nennen!“
„Warum?“
„Weil ich keiner bin.“
„Du siehst aber so aus.“
„He“, unterbrach ich die beiden Streithähne. „Salandar, das erinnert mich daran, dass du mir eigentlich noch eine Antwort schuldest.“
Der Angesprochene stöhnte entnervt. „Jetzt?“
„Ich kann das Erzählen übernehmen“, feixte Marius. „Also: In den Großstädten unserer Welt gibt es Logen ...“
„Schon gut, schon gut, ich mache es selbst“, blaffte Salandar dazwischen.
Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schien zu überlegen.
„Ich brauche einen Schluck Wein. Holst du welchen?“, meinte er schließlich.
„Damit du in der Zwischenzeit Marius den Hals umdrehst? Nein, hol ihn selbst!“
Der beleibte Mann grummelte etwas Unverständliches, aber sicher Unfreundliches, erhob sich und ging zur Tür.
Ich ließ mich meinerseits in den Sessel sinken.
„Lieblich oder trocken?“, fragte Salandar mit der Hand an der Klinke.
„Herb?“
Salandar verdrehte die Augen und ging.
„Also“, wandte ich mich an Marius, „was hat es mit diesen Logen auf sich?“
„Magier“, antwortete der.
„Magier? So richtig mit Feuerbällen und Eiszapfen und so?“
„Ganz so ist es nicht. Ich würde behaupten, richtige Magie funktioniert subtiler ...“
Unwillkürlich musste ich an meine Begegnung im Zelt des französischen Offiziers Jahre zuvor denken und schauderte.
„Trägt er deshalb diesen seltsamen Namen?“, schloss ich.
„Wahrscheinlich. Beim Eintritt in einen dieser hochexklusiven Zirkel legt man alles ab, was einen mit der Vergangenheit verbindet. Alle Urkunden werden vernichtet, man trägt
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