Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)
Tochter des ehemaligen Forstbeamten ihres Vaters Erbe fortführte, noch dazu mit dem Segen des Grafen? Oder dass diese junge und sehr forsche Frau nicht gottesfürchtig genug für den sonntäglichen Kirchgang war, sondern stattdessen lieber auf das verlassene Hab und Gut der Leyener aufpasste?
Geschlagen. Von einer Frau.
Unfassbar, dass mich diese Tatsache so sehr fuchste.
Das Einzige, das uns den Aufenthalt in Eulenbach sicherte, war die Tatsache, dass es ohne uns immerhin noch nicht zu einer Aufklärung der mysteriösen Vorfälle gekommen war. Über unsere Erklärungsversuche des beschworenen Ungetüms konnten die beiden Herren Polizisten schließlich nur lachen.
K apitel 4
Unheimliche
Geschichten
1.
D as Bild war groß und in einen Rahmen von meisterlichem Handwerk gefasst.
Es regnete.
Das hieß, es stellte Regen dar, aber manchmal kam es einem beim Betrachten vor, als regne es wirklich vor den Fenstern der Werkstatt, die dort abgebildet waren.
Ein Geigenbauer im besten Alter hatte sich dort zusammen mit seiner jungen Frau porträtieren lassen.
Das Bild strahlte mit jeder Faser der Leinwand, auf der es in Ölfarben festgehalten war, Selbstbewusstsein aus. Wer es in diesem Handwerk so weit gebracht hatte, dass er sich ein solches Bildnis seiner selbst leisten konnte, durfte stolz darauf sein. Er hatte Einfluss und mächtige Freunde mit noch mehr Einfluss. Die Fülle des irdischen Lebens lag ihm und der Musik, die er erschuf, zu Füßen.
Ja, es war seine Musik. Er erweckte sie zum Leben. Er gab den göttlichen Funken hinein, indem er das Instrument fertigte, das ein Musiker brauchte, um der Welt den Wohlklang der großen Komponisten wiederzugeben. So wie Gott das Leben in den Menschen gesetzt hatte, als er ihn schuf.
Er hatte alles, was er begehrte. Er und seine hübsche Frau ... die Schlampe. Hatte sie ihn doch nicht wegen seiner Wesenszüge, seiner Zärtlichkeit oder gar seines Äußeren geheiratet. Nein, nur des Geldes wegen, der Macht wegen, die er besaß, des Einflusses wegen, der sich bis an die Höfe der adeligen Welt erstreckte.
Gewiss, es war ein stiller, aber vorzüglicher Handel gewesen, sie zu heiraten. Sie bekam nahezu alles, das das raffgierige Herz einer Frau begehren konnte. Schmuck, Kleider, die Teilnahme an höfischen Konzerten und Bällen. Der Geigenbauer hingegen hatte ein Objekt der Begierde gewonnen, etwas, das durch willige Hingabe einen harten Arbeitstag in der Werkstatt ausglich.
Selbstverständlich war er ihr untreu, warum auch nicht, sie war schließlich sein Eigentum. Sie liebte nicht ihn, sondern nur sein Geld. Folglich sollte es ihr egal sein, mit wem er Umgang pflegte. Stattdessen sollte sie tun, was eine Ehefrau zu tun hatte, und sei es nur, ihren ehelichen Pflichten im Bette nachzukommen.
Doch schließlich kam der Tag, an dem sie aufbegehrte, an dem sie verkannte, wie die Dinge liefen, an dem sie sich als seine Besitzerin zu enthüllen versuchte: Sie verweigerte sich ihm.
Zuerst hielt er es für eine Laune, der man einmal nachgeben konnte. Doch diese Laune breitete sich aus, ergriff von ihr Besitz. Sie sprach nicht mehr mit ihm, sie sah ihn nicht einmal mehr an. Sie wollte fortan in einem anderen Zimmer schlafen.
Sie hatte die Situation verkannt.
Eigentum war Eigentum. Wer dafür gearbeitet hatte, dem gebührte es, und so half ihr alles Kratzen und Wehren nicht. Sie hatte ihre Lage zu spät erkannt ... und sie hätte sie erkennen sollen, ehe sie geheiratet hatte. Doch mit dem Eheschluss hatte sie den Vertrag besiegelt: Das Leben, das sie führte, im Tausch gegen ihre Seele.
Ein Pakt funktionierte nun einmal seit jeher so.
Später in dieser Nacht packte sie ihren Koffer und wollte sich auf dem Weg zu ihrer Schwägerin machen.
Doch Eigentum war Eigentum. Wer es besaß, bestimmte über dessen Sinn, Zweck und Verbleib.
Er sperrte sie ein, viele Tage lang, und zwang sie zu allem, was er guthieß. Essen wurde ihr gewaltsam eingeflößt, wenn sie sich weigerte. Seine Lust befriedigte er, wann er es wollte und für richtig erachtete. Sie hielt sich tapfer all die Zeit, doch er brach ihren eisernen Willen.
Immer wieder.
Den letzten glimmenden Funken ihrer Würde aber erhielt sie sich, sodass sie an einem verregneten, stürmischen Abend einen Satz machte, ihn zur Seite stieß und zu flüchten versuchte.
So nahm das Schicksal seinen Lauf, als er schnell genug wieder auf den Beinen war und sie in seiner Werkstatt stellte.
Eigentum war Eigentum. Schon in der heiligen
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