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Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition)

Titel: Lang lebe die Nacht: Ein phantastischer Historienroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo Corzilius
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Bilder“, stellte ich fest.
    „Eines der Bilder“, berichtigte Salandar.
    Ich nickte und sah mich nach Marius um. Der Kater stand im Türrahmen und machte einen verwirrten Gesichtsausdruck – zumindest soweit Hauskatzen dazu in der Lage waren. „Weißt du irgendetwas über diese Bilder hier?“
    Marius miaute und sprang auf einen der wenigen Stühle, die noch auf ihren vier Beinen standen. Im Sitzen äugte er mit schief gelegtem Kopf eine Weile von Bild zu Bild, dann schüttelte er bedächtig den Kopf.
    „Nein, bedaure“, sagte er. „Mir ist keines der Bilder bekannt. Ich fürchte, ihr müsst ihre Besitzer danach befragen.“
    „Nichts lieber als das“, brummelte Salandar sarkastisch.
    Wir standen im Zentrum des Raumes beieinander und blickten über die Galerie, die die Ehlerts hier in ihrem Salon zusammengetragen hatten. Die beiden Wände, die keinerlei Fenster oder Terrassentüren aufwiesen, waren über und über mit Porträts bedeckt. Sie entstammten allen Epochen und beinhalteten ein Wirrwarr verschiedener Pinselführungen. Es waren Miniaturen, große Bilder, solche mit protzigen Rahmen, aber auch ganz unscheinbare.
    „Ich fürchte, wir brauchen einen Anhaltspunkt“, kommentierte Hagen unser hilfloses Starren.
    „Ja“, murrte Salandar, „und zwar sowohl für diese Sache als auch für unseren ersten Auftrag.“
    „Hm.“
    „Immerhin wissen wir mehr als bei den anderen Morden.“
    „Es ist nicht dasselbe Wesen, oder?“
    Salandar schüttelte den Kopf.
    „Die anderen wurden angeblich nicht erwürgt, und eine solche Verletzung fällt selbst dem dümmsten Bauern auf. Würgemale sind unverkennbar.“
    „Wir könnten Ehlert nach den Bildern fragen ...“
    „Ja. Aber später. Ich glaube kaum, dass ihm heute oder in den nächsten Tagen der Sinn danach stehen wird.“
    „Außer, wir zwingen ihn gewissermaßen.“
    „Nämlich wie?“
    „Graf Thaddäus könnte ihm die Dringlichkeit des Anliegens ins Bewusstsein rufen. Dem Grafen wird Ehlert wohl kaum eine Bitte abschlagen können.“
    Salandar und ich tauschten einen Blick aus.
    „Das könnte gehen“, stellte ich schließlich fest. „Warum also nicht? Traktieren wir den armen Mann morgen mit den Bildern seines noch nicht einmal erkalteten Hauses.“
    Salandar schüttelte sich, als befalle ihn bei der Vorstellung Ekel. Dann verließ er ohne ein Wort den Salon.

    Der Sturm hatte sich lange gelegt, doch die Wolkendecke wirkte immer noch wie gerade aufgerissen, als wir durch den Schlamm der Leyener Straßen stapften. Ein seltsamer Anblick, denn seit unserer Ankunft hier war das Wetter beinahe durchgehend schlecht gewesen.
    Auf dem Marktplatz kam uns ein Wagen entgegen.
    Er war nicht groß, aber irgendwie eigentümlich. Ein Wohnwagen, dessen gewölbtes Dach grün gestrichen war. Einzelne Bretter der Außenfassade waren bunt bemalt, und die Fensterrahmen wie auch die Speichen der Räder strahlten in hellem Weiß – besprenkelt vom Dreck des schlechten Wetters.
    Auf dem Bock saß eine dickliche Frau mittleren Alters. Ihr Haar war so schwarz, als hätte sie es mit Kohlenstaub gepudert, und ihre Ohren zierten große runde Ringe.
    „Ho, Roma!“, begrüßte Salandar sie. „Wohin des Weges?“
    „Brrrr.“
    Die Zigeunerin stoppte ihre beiden Pferdchen.
    „Zu einer alten Freundin“, krächzte sie mit einer vom Rauch des Lagerfeuers verdorbenen Stimme.
    „Dürfen wir mit?“
    Sie zuckte die Achseln.
    „Zwei von euch. Für mehr ist kein Platz.“
    Salandar lächelte und blickte zu Hagen.
    Der schenkte mir einen flehentlichen Blick.
    Grafentochter!
    Ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder ärgern sollte.
    Doch für den Augenblick war es egal, also entließen wir den Traumtänzer, und ich schwang mich mit Salandar auf den Kutschbock einer Fremden. Am anderen Ende des Wagens sprang Marius elegant über Speichen und Fensterbretter auf das Dach des absonderlichen Gefährts.
    Salandar hatte noch nie auch nur einen Hauch von Scheu besessen, Fremde anzusprechen. Gut, Hagen auch nicht, doch Salandar schien schon immer einen guten Riecher dafür gehabt zu haben, wen es zu treffen lohnte und mit wem es nur Scherereien zu geben drohte. Eine Eigenschaft, die mir abging.
    So fuhren wir die Alte Straße entlang.
    „Was tun die Manusch an einem so weltentlegenen Ort wie diesem?“, eröffnete Salandar schließlich das Gespräch.
    „Ich bin allein“, kommentierte die Frau trocken, ohne den Blick von der Straße zu wenden.
    „Wahrsagerin?“, riet Salandar.
    Sie

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