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Lange Zähne

Lange Zähne

Titel: Lange Zähne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
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Nasenringen
schäumte ihn auf, während Tommy einen Stapel zerfledderter Zeitungen auf der
Theke durchstöberte und die Anzeigenteile heraussuchte. Als er bezahlte,
ertappte ihn das Mädchen dabei, wie er auf ihre Nasenringe starrte. Sie
grinste. »Denken ist der Tod«, sagte sie und reichte ihm seinen Mokka.
    »Einen schönen Tag noch«,
erwiderte Tommy.
    Er setzte sich an einen Tisch und
machte sich daran, die Kleinanzeigen durchzusehen. Während er die Rubriken mit
den Wohnungsangeboten las, schien das Geldbündel in seiner Tasche zu
schrumpfen. Hier war der Grund, weshalb die Leute so geistesabwesend wirkten.
Sie machten sich alle beständig Sorgen darüber, wie sie die Miete bezahlen
sollten.
    Ihm fiel ein Angebot für ein
möbliertes Loft ins Auge. Er war ein Loft-Typ. Er stellte sich im Geiste vor,
wie er sagte: »Nein, hab keine Zeit zum Abhängen, ich muß zurück ins Loft und
schreiben.« Und: »Tut mir leid, ich habe meine Brieftasche im Loft vergessen…«
Und wie er schrieb: »Liebe Mom, ich bin in ein geräumiges Loft im schicken SOMA
gezogen.«
    Tommy ließ die Zeitung sinken und
wandte sich an den Barett-Träger am Nebentisch, der einen Baudelaire-Band las
und einen Berg von Disc-Bleu-Stummeln im Aschenbecher auftürmte. »Entschuldigen
Sie«, sagte Tommy, »aber ich bin neu in der Stadt. Wo finde ich denn das
schicke SOMA?«
    Der Barett-Träger sah in irritiert
an. »Südlich der Market Street. ‚South of Market’, wie das Wort schon sagt«, erwiderte
er. Dann nahm er sein Buch und seine Zigaretten und verließ das Café.
    »Tut mir leid«, rief Tommy ihm
nach. Vielleicht hätte ich ihn auf französisch anreden sollen ...
    Tommy entfaltete den Stadtplan,
den Jody ihm dagelassen hatte, und fand die Market Street, dann ein Viertel mit
der Bezeichnung »SOMA«. Es war nicht weit von der Stelle entfernt, wo Jody die
Transamerica-Pyramide angestrichen hatte. Er faltete den Stadtplan wieder
zusammen und riß die Loft-Anzeige aus der Zeitung. Es würde ein Kinderspiel
werden.
    Als er sich gerade zum Gehen
erheben wollte, blickte er auf und sah einen unglaublich fetten Mann in einer
purpurnen Samtrobe das Café betreten, in der Hand einen mit silbernen Monden
und Sternen verzierten ledernen Musterkoffer. Er nahm am Nebentisch Platz und
machte sich daran, verschiedene Gegenstände aus dem Musterkoffer zu holen.
Tommy sah ihm fasziniert zu.
    Der Kopf des fetten Mannes war
rasiert, und in die Haut war ein Pentagramm eintätowiert. Der Mann breitete ein
schwarzes Satintuch auf den Tisch aus, dann stellte er in die Mitte eine
Kristallkugel, die auf einem mit Drachen verzierten Messinggestell stand. Als
nächstes wickelte er Tarotkarten aus einem purpurnen Seidenschal und legte sie
neben die Kristallkugel. Als letztes nahm er ein Schild aus dem Musterkoffer
und stellte es auf dem Tisch auf. Auf dem Schild stand: »Madame Natasha.
Handlesen, Tarot, Wahrsagungen $ 5.00. Alle Erlöse zugunsten der
Aids-Forschung«.
    Madame Natasha saß mit dem Rücken
zu Tommy. Als Tommy auf das tätowierte Pentagramm starrte, drehte Madame
Natasha sich zu ihm um. Tommy wandte eilig den Blick ab.
    »Ich glaube, Sie sollten sich
dringend wahrsagen lassen, junger Mann«, sagte Madame Natasha, seine Stimme
hoch und feminin.
    Tommy räusperte sich. »Ich glaube
nicht an so was. Aber trotzdem vielen Dank.«
    Madame Natasha schloß die Augen,
so als würde er einer besonders bewegenden Musikpassage lauschen. Als er die
Augen wieder öffnete, sagte er: »Sie sind neu in der Stadt. Ein wenig verwirrt
und ein wenig verängstigt. Sie sind Künstler, aber Sie verdienen damit nicht
Ihren Lebensunterhalt. Und Sie haben kürzlich einen Heiratsantrag
ausgeschlagen. Habe ich recht?«
    »Tommy grub in seiner Tasche.
»Fünf Dollar?« »Nehmen Sie Platz«, sagte Madame Natasha und winkte ihn zu einem
Stuhl an seinem Tisch.
    Tommy setzte sich auf den Stuhl
gegenüber von Madame und reichte ihm eine Fünfdollarnote. Madame Natasha nahm
seine Tarotkarten und mischte sie. Seine Hände waren klein und zierlich ; seine Nägel schwarz lackiert. »Was sollen wir die Karten heute fragen?« sagte
Madame.
    »Ich habe da eine Frau
kennengelernt. Ich möchte mehr über sie wissen.«
    Madame Natasha nickte ernst und
legte die Karten auf den Tisch aus. »Ich sehe keine Frau in Ihrer nahen
Zukunft.«
    »Wirklich?«
    Madame zeigte auf eine Karte auf
der rechten Seite der Auslage. »Nein. Sehen Sie die Position dieser Karte?
Diese Karte steht für Ihre

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