Lange Zähne
postkoitale Depression durchzustehen.
»Tommy, ich bin so heftig
gekommen, daß sich meine Zehen aufgerollt haben. Kein Mann hat das je zuvor bei
mir geschafft.« Wie oft habe ich das schon gesagt? dachte sie.
»Wirklich?«
Sie nickte.
Er lächelte stolzerfüllt. »Laß es
uns noch einmal tun.« »Nein, wir müssen reden.«
»In Ordnung. Aber dann ...«
»Zieh dich an.«
Tommy trollte sich nackt aus dem
Schlafzimmer, um sich eine frische Jeans aus seinem Koffer zu holen. Während er
sich anzog, gingen ihm die grenzenlosen Möglichkeiten des Lebens durch den
Sinn. Vor gerade mal einer Woche hatte er in die Mündung eines Lebens in einer
kleinen Industriestadt geblickt - ein Job mit Gewerkschaftsbindung, eine Reihe
von auf Raten gekauften Fords, eine Hypothek, zu viele Kinder und eine Frau,
die fett werden würde. Sicher, die Vorstellung, Verantwortung zu tragen und
eine Familie zu gründen - dafür zu sorgen, daß es ihnen nie an etwas fehlte -
besaß etwas Hehres. Aber als sein Vater ihm an seinem achtzehnten Geburtstag
gesagt hatte, er müßte sich langsam um seine Rente kümmern, da hatte Tommy das
Gefühl gehabt, seine Zukunft würde ihn ersticken wie eine Anakonda. Sein Vater
hatte ihm klipp und klar erklärt, daß er ihm kein Geld fürs College geben würde
- Tommy könnte, nachdem er in der großen Stadt gewesen und verhungert war,
zurückkommen, eine Arbeit in der Fabrik annehmen und endlich das Leben eines
Erwachsenen führen. Aber nicht jetzt. Jetzt war er ein Großstädter, ein Teil
der großen Welt ; er hatte eine Beziehung mit einem Vampir, und die
Gefahr, ein normales, langweiliges Leben zu führen, war endgültig vorbei. Er
wußte, daß er Angst haben sollte, aber er war zu euphorisch, um darüber
nachzudenken.
Er schlüpfte in seine Jeans und
lief zurück ins Schlafzimmer, wo Jody sich ebenfalls anzog. »Ich habe Hunger«,
verkündete er. »Laß uns was essen gehen.«
»Ich kann nicht essen«, erklärte
sie.
»Gar nicht ?«
»Soweit ich weiß, nicht. Ich kann
noch nicht einmal ein Glas Wasser bei mir behalten.«
»Irre. Brauchst du jeden Tag
Blut?«
»Ich glaube nicht.«
»Muß es ... ich meine, kannst du
Tiere nehmen, oder müssen es Menschen sein?«
Jody dachte an die Motte, die sie
gegessen hatte, und kam sich vor, als hätte sie gerade einen Cocktail aus zwei
Teilen Scham und fünf Teilen Ekel mit einem Schuß Übelkeit getrunken. »Ich weiß
es nicht, Tommy. Ich habe leider keine Betriebsanleitung mitgeliefert
bekommen.«
Er tigerte im Zimmer umher wie ein
hyperaktives Kind. »Wie ist es passiert? Hast du Satan deine Seele verkauft? Werde
ich mich auch in einen Vampir verwandeln? Gehörst du irgendeinem Satanskult an
oder so was?«
»Hör zu, ich weiß es nicht«, fuhr
sie ihn wütend an. »Ich weiß überhaupt nichts. Ich ziehe mich jetzt an, und dann
können wir ausgehen, damit du was zu essen bekommst. Dann erkläre ich dir
alles, in Ordnung?«
»Du mußt mir ja nicht gleich den
Kopf abreißen.« »Vielleicht tue ich das aber«, fauchte sie, selbst überrascht
über die Schärfe ihrer Worte.
Tommy wich von ihr zurück, die
Augen weit aufgerissen vor Angst. Jody kam sich mies vor. Warum habe ich das
gesagt? Ich verliere zu leicht die Beherrschung - ich zeige diesem Penner im
Bus meine verbrannte Hand, ich schlage Kurt k.o., ich esse eine Motte, und
jetzt bedrohe ich Tommy ; und nichts davon scheint Absicht gewesen zu
sein. Es war so, als würde Vampirismus eine krampflose, doch gemeine Variante
des prämenstrualen Syndroms mit sich bringen.
»Es tut mir leid, Tommy. Das ist
alles sehr schwer für mich gewesen.«
»Ist schon in Ordnung.« Er hob die
Jeans auf, die sie zerfetzt hatte, und leerte die Taschen. »Ich vermute, die
ist hin.« Er holte die Visitenkarte heraus, die der Motelmanager ihm gegeben
hatte. »He, hab ich ganz vergessen, dir zu sagen: Dieser Cop will mit dir
reden.«
Jody erstarrte mitten im
Schuhezubinden. »Ein Cop?«
»Ja, beim Motel wurde letzte Nacht
eine alte Frau umgebracht. Als ich heute morgen dorthin gekommen bin, sind da
eine Million Cops rumgetobt. Sie wollten mit jedem reden, der im Motel wohnt.«
»Wie wurde sie umgebracht, Tommy?
Weißt du das?“
»Jemand hat ihr das Genick
gebrochen und ...« Er verstummte, starrte sie an und wich abermals zur
Badezimmertür zurück.
»Was?« fragte sie. »Ihr Genick war
gebrochen und was?«
»Sie hat eine Menge Blut verloren«,
flüsterte er. »Aber es waren keine Verletzungen zu sehen.« Er stürzte
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