Lange Zähne
ausprobiert.«
»Nun, das hier ist nicht der
richtige Ort dafür, verstanden?«
»Schon gut«, sagte Tommy.
»Siehst du?« flüsterte Jody. »Ich
hab es dir ja gesagt.« »Laß uns nach Hause gehen«, sagte Tommy. »Ich habe eine
Blase an meinem großen Zeh.«
»Kommt nicht in Frage,
Schreiberling.«
»Es ist gut für die Linie«, gurrte
Tommy und stieß mit seinem Turnschuh gegen ihren Fuß. »Viel Geschmack, wenig
Kalorien.«
»Vergiß es.«
Tommy seufzte kapitulierend. »Nun,
ich vermute, wir haben ganz andere Sorgen als meinen großen Zeh oder deine
Gewichtsprobleme.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel die Tatsache, daß
ich gestern nacht beim Supermarkt einen Typen gesehen habe, von dem ich glaube,
daß er der andere Vampir ist.«
16. KAPITEL
Neckische
Spiele
Als sie zurückkamen, schlief ein
Penner auf dem Bürgersteig gegenüber dem Loft. Tommy, gesättigt von Fast-Food
und voller Begeisterung, zweimal hintereinander Sex gehabt zu haben, wollte dem
Mann einen Dollar geben. Doch Jody hielt ihn zurück und schubste ihn die Treppe
hinauf. »Geh schon nach oben«, sagte sie. »Ich komme gleich nach.«
Sie stellte sich in die Tür und
beobachtete den Penner, um zu sehen, ob er sich irgendwie rührte. Er strahlte keine
Wärme-Aura ab, und Jody befürchtete das Schlimmste. Sie wartete darauf, daß er
sich aufrichtete und wieder über sie lachte. Sie fühlte sich stark und ein
wenig übermütig von der Infusion mit Tommys Blut, und so mußte sie den Drang
bezwingen, den Vampir zu stellen, sich einfach vor ihm aufzubauen und ihn
anzuschreien. Statt dessen flüsterte sie nur: »Arschloch«, und schloß die Tür.
Wenn sein Gehör so geschärft wie das ihre war - und davon war sie überzeugt -,
dann hatte er sie verstanden.
Sie fand Tommy im Bett, tief und
fest schlafend.
Armer Kerl, dachte sie, er ist
durch die ganze Stadt gelaufen, um meine Angelegenheiten zu erledigen. Er hat
vermutlich keine fünf Stunden geschlafen, seit wir uns kennengelernt haben.
Sie deckte ihn zu, küßte ihn auf
die Stirn und ging zum Fenster im vorderen Raum, um den Penner auf der
gegenüberliegenden Straßenseite zu beobachten.
Tommy träumte gerade von einer
nackten Rothaarigen, die unter Begleitung von Bebop-Musik vorlas, als er
aufwachte und sie neben sich schlafen sah. Er legte seinen Arm um sie und zog
sie an sich, aber sie rührte sich nicht, stöhnte nicht wohlig und kuschelte
sich auch nicht an ihn. Sie war vollkommen entrückt!
Er drückte den kleinen
Beleuchtungsknopf seiner Armbanduhr und sah nach, wie spät es war. Schon fast
Mittag. Das Zimmer war so dunkel, daß der Schemen des Zifferblatts noch einen
Moment vor seinen Augen schwebte, nachdem er den Knopf losgelassen hatte. Tommy
ging ins Badezimmer und tastete herum, bis er den Lichtschalter gefunden hatte.
Eine einzelne Neonröhre klickte und flackerte und ging schließlich an. Ihr
fahles, grünes Licht schien bis ins Schlafzimmer hinüber.
Sie sieht tot aus, dachte er bei
sich. Friedlich, aber tot. Dann betrachtete er sich selbst im
Badezimmerspiegel. Ich sehe auch tot aus.
Er brauchte eine Weile, bis ihm
klar wurde, daß das Neonlicht und nicht seine Vampirfreundin jegliches Leben
aus seinem Gesicht gesogen hatte. Er setzte eine ernste Miene auf und
überlegte, was man wohl in hundert Jahren über ihn schreiben würde, wenn er
wirklich berühmt und wirklich tot war.
Wie so viele große Schriftsteller
vor ihm war Flood für seine sorgenvolle Miene und kränkliche Gesichtsfarbe,
besonders bei Neonbeleuchtung, bekannt. Jene, denen es vergönnt war, ihn näher
zu kennen, sagten, daß man schon in diesen frühen Jahren ahnen konnte, daß
dieser ernste junge Mann einmal große Berühmtheit erlangen würde, sowohl als
Meister des geschliffenen Wortes, als auch als einer der größten Liebhaber
seiner Zeit. Er hinterließ der Welt eine Fülle brillanter Romane und
gebrochener Herzen, und obgleich es allgemein bekannt ist, daß sein Liebesleben
schließlich auch sein Untergang war, empfand er doch keine Reue, wie seine
Dankesrede anläßlich der Verleihung des Literatur-Nobelpreises demonstriert: »Ich
bin meinem Penis in die Hölle gefolgt und mit einer Geschichte zurückgekehrt.«
Tommy verbeugte sich tief vor dem
Spiegel, sorgsam darauf bedacht, daß die Nobelpreisauszeichnung nicht gegen das
Waschbecken schlug, dann begann er ein Interview mit sich selbst.
»Ich denke, es war kurz nach
meinem ersten erfolgreichen Umsteigen im Nahverkehrsnetz, als ich
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