Lange Zähne
und sie versuchten, einander
mit ihren jeweiligen Repertoires an Matratzentricks zu beeindrucken. Jody gab
sich Mühe, nicht zu erfahren zu wirken, und Tommy zog alles heran, was er je
gelesen hatte, von Penthouse bis National Geographie, um nicht zu
unerfahren zu wirken, während er gegen den Drang ankämpfte, bei jeder einzelnen
von Jodys Berührungen »echt irre« auszurufen. Auf beiden Seiten lief zuviel
über den Kopf ab, und hinterher dachten sie beide: Nun, es war ganz nett. Jodys
Reißzähne blieben in den Gaumen zurückgezogen.
»Was hast du da am Ende gerufen?«
fragte sie.
»Das war ein Bantu-Liebesschrei.
Ich glaube, übersetzt bedeutet er soviel wie: ‚Oh, Baby, polier mir die
Tellerlippe.«
»Interessant«, sagte Jody.
Sie lagen eine Weile schweigend da
und fühlten sich unbehaglich und ein bißchen verlegen. Was sie auch immer an
körperlicher Intimität geteilt hatten, fand keinen Widerhall in ihren Gefühlen.
Sie waren Fremde.
Tommy fand, er sollte irgend etwas
Persönliches beichten, irgend etwas, das dem immensen Vertrauen ebenbürtig war,
das sie ihm gegenüber bewiesen hatte, als sie ihm ihr Geheimnis verriet.
Gleichzeitig war er neugierig und ein bißchen verängstigt. Es war ja doch etwas
weitgreifender, als wenn sie ihm eine verborgene Tätowierung gezeigt hätte. Sie
war also ein Vampir. Wie sollte man da etwas Ebenbürtiges finden? Worunter
sollte man das verbuchen?
Unter »Abenteuer«, dachte er bei
sich. Ich wollte Abenteuer erleben, und hier sind sie!
»Tommy«, sagte sie, ohne ihn dabei
anzusehen, mehr oder weniger an die Decke gerichtet, »ich kann es verstehen,
wenn du nicht bleiben willst, aber ich würde mich freuen, wenn du es tätest.«
»Ich habe noch nie mit jemandem
zusammengewohnt. Das ist alles neu für mich. Ich meine, du hast mir dabei
vermutlich etliches an Erfahrung voraus.«
»Nun, in dieser speziellen
Kombination eigentlich nicht. Ich habe mit ein paar Männern zusammengelebt.«
»Ein paar?«
»Zehn, glaube ich. Aber nicht
unter diesen Umständen.«
»Zehn? Du mußt ja uralt sein. Versteh
das nicht falsch. Ich meine, ich wußte natürlich, daß du älter bist, aber ich
dachte, es wären nur ein paar Jahre. Nicht Jahrhunderte.«
Sie drehte sich um und sah ihm in
die Augen. »Ich bin sechsundzwanzig.«
»Sicher, du siehst aus wie
sechsundzwanzig. Aber vermutlich siehst du schon seit Jahren so aus. Vermutlich
hast du Bilder von dir und Abraham Lincoln und so was, stimmt's?«
»Nein, ich bin sechsundzwanzig.
Ich bin seit etwa sechs Monaten sechsundzwanzig.«
»Aber wie lange ... ich meine ...
Wurdest du schon so geboren ...«
»Ich bin erst seit vier Tagen
Vampir.«
»Also bist du sechsundzwanzig.«
»Genau das habe ich ja gesagt.«
»Und du hast mit zehn Typen
zusammengelebt?«
Sie stand vom Bett auf und machte
sich daran, ihre Kleidungsstücke einzusammeln. »Hör zu, ich besitze nicht
gerade das beste Urteilsvermögen, was Männer angeht. In Ordnung?«
Erkehrte ihr den Rücken
zu. »Nun, vielen Dank.« »Dich meine ich doch nicht. Ich meinte, in der
Vergangenheit.«
Er setzte sich auf die Bettkante
und ließ den Kopf hängen. »Ich komme mir so benutzt vor.«
»Benutzt?« Sie sprang mit einem
Satz über das Bett und baute sich vor ihm auf. »Benutzt?« Sie legte einen
Finger unter sein Kinn und drückte es sanft hoch, bis er sie ansah. »Ich habe
dir das größte Geheimnis anvertraut, das ich je hatte. Ich habe dir angeboten,
mein Leben mit dir zu teilen.«
»Ach, als ob das so ein exklusives
Privileg wäre.« Er drehte den Kopf weg und schmollte weiter.
Jody griff sich einen Schuh vom
Boden und wollte Tommy gerade eins damit überbraten, als ihr einfiel, was sie
mit Kurt gemacht hatte. Sie ließ den Schuh wieder fallen. »Warum führst du dich
wie ein solches Arschloch auf?«
»Du hast mein Blut getrunken.«
»Ja, nun, es tut mir leid.«
»Du hast nicht einmal gefragt.«
»Und du hast dich nicht gerade
gewehrt.«
»Ich dachte, es wäre so'n
Sex-Ding.«
»Das war es auch.«
»Das war es?« Er hörte auf zu
schmollen und sah zu ihr auf. »Macht dich das scharf?«
Warum sind Männer nie auf die
toxische Strahlung der Ruhe nach dem Sex vorbereitet? dachte Jody bei sich.
Warum können sie es nicht einfach hinnehmen, ohne sich in distanzierte Winseler
oder aggressive Wichser zu verwandeln? Sie begreifen einfach nicht, daß das
Schmusen hinterher nichts mit warmen, kuscheligen Gefühlen zu tun hat ; es ist die intelligenteste Art, die
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