Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lange Zähne

Lange Zähne

Titel: Lange Zähne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Moore
Vom Netzwerk:
ins
Badezimmer und schlug die Tür zu.
    Jody konnte hören, wie er den
Schlüssel umdrehte. »Ich habe sie nicht umgebracht, Tommy.«
    »Das ist schön«, sagte er.
    »Mach die Tür auf. Bitte.«
    »Ich kann nicht, ich pinkle.« Er
drehte den Wasserhahn auf.
    »Tommy, komm raus, ich werde dir
nichts tun. Laß uns was essen gehen, und ich erkläre dir alles.«
    »Geh schon mal vor«, erwiderte er.
»Ich komme dann nach. Mann, das war aber wirklich höchste Eisenbahn. Muß der
ganze Kaffee gewesen sein, den ich heute getrunken habe.«
    »Tommy, ich schwöre, ich habe
nichts davon gewußt, bis du es mir erzählt hast.«
    »Guck mal«, sagte er durch die
Tür, »ich habe das Kruzifix wiedergefunden, das ich letzte Woche verloren habe.
Und was ist das da. Meine Glücksphiole mit Weihwasser.«
    »Tommy, hör auf damit. Ich werde
dir nichts tun. Ich will niemandem etwas tun.«
    »Oh, und mein Knoblauchkranz! Ich
hatte mich schon gefragt, wo der wohl hingekommen ist.«
    Jody packte den Türknauf und zog
mit einem Ruck daran. Der Rahmen splitterte, und Jody hielt die lose Tür in der
Hand. Tommy hechtete in die Badewanne und spähte über den Rand zu ihr herüber.
    »Laß uns was essen gehen«, sagte
Jody. »Wir müssen reden.«
    Zögernd erhob er sich aus der
Badewanne, bereit, sich augenblicklich in den Abfluß zu stürzen, sobald sie
einen Schritt in seine Richtung machte. Sie wich zurück.
    Er blickte auf den zerstörten
Türrahmen. »Wir werden unsere Kaution verlieren ; das ist dir doch
klar, oder?«
    Jody warf die Tür beiseite und bot
ihm ihre Hand an, um ihm aus der Wanne zu helfen. »Kann ich dir eine Portion
Fritten spendieren? Ich sehe es so gern, wenn du Pommes Frites ißt.«
    »Das ist völlig abgedreht, Jody.«
    »Verglichen mit was?«
    Sie gingen zur Market Street, wo
selbst um zehn Uhr abends die Bürgersteige noch wimmelten von Pennern und
Nutten und Gruppen von Fußpflegern und Fußpflegerinnen, die einer Tagung im
Moscone Convention Center entflohen waren, um sich im Herzen der Stadt Burger,
Pizzas und Bier zu gönnen. Jody beobachtete die Wärmeschemen, die den
Obdachlosen folgten, während Tommy Münzen austeilte wie ein Politessen-Engel,
der für das lebenslange Austeilen von Knöllchen Buße tat.
    Er ließ einen Quarter in die
Handfläche eines fingerlosen Handschuhs fallen, der von einer Frau getragen
wurde, die vorgab, ein Roboter zu sein, aber eher aussah wie ein frisch aus
Gossendreck geschaffener Golem. Jody bemerkte eine schwarze Aura um die Frau,
so wie sie sie bei dem alten Mann im Bus gesehen hatte ; Jody konnte
Krankheit und den Eiter offener Wunden riechen, und sie riß Tommy förmlich
weiter.
    Ein paar Schritte weiter sagte
sie: »Du mußt ihnen nicht allen Geld geben, nur weil sie darum bitten.«
    »Ich weiß, aber wenn ich ihnen
Geld gebe, sehe ich nicht ihre Gesichter, wenn ich einschlafe.«
    »Es hilft nicht wirklich. Sie gibt
es nur für Schnaps oder Drogen aus.«
    »Wenn ich sie wäre, würde ich das
auch tun.«
    »Da hast du nicht ganz unrecht«,
erwiderte Jody. Sie nahm seinen Arm und führte ihn in einen Hamburger-Imbiß namens
No Guilt: orangefarbene Resopaltische auf grauer Auslegware, riesige, von
hinten beleuchtete Transparent-Reklamen von fetttriefenden Speisen und
Familien, die fröhlich gemeinsam ihre Arterien verstopften. »Ist das hier in
Ordnung?«
    »Perfekt«, gab Tommy zurück.
    Sie nahmen sich einen Tisch am
Fenster, und Tommy bestellte sich zwei Burger und eine Portion Fritten.
    »Erzähl mir von der Frau, die
getötet wurde«, sagte sie.
    »Sie hatte einen Hund, einen
kleinen grauen Hund. Man hat beide in dem Müllcontainer hinter dem Motel
gefunden. Sie war alt. Jetzt wird sie immer alt sein.«
    »Wie bitte?«
    »Menschen bleiben immer so alt wie
zu dem Zeitpunkt, zu dem sie gestorben sind. Mein großer Bruder ist an Leukämie
gestorben, als ich sechs war. Er war acht. Wenn ich jetzt an ihn denke, ist er
immer noch acht, und er ist immer noch mein großer Bruder. Er verändert sich
nie, und auch der Teil von mir, der sich an ihn erinnert, verändert sich nie.
Verstehst du? Wie ist das bei dir?«
    »Ich habe keine Geschwister.«
    »Nein, ich meine, wirst du so
bleiben, wie du bist? Wirst du immer so aussehen wie jetzt?«
    »Ich habe noch nicht darüber
nachgedacht. Ich vermute, das könnte stimmen. Ich weiß, daß ich sehr schnell
heile, seit es passiert ist.«
    Die Kellnerin brachte Tommys Essen.
Er spritzte Ketchup auf seine Fritten und ging zum Angriff über.

Weitere Kostenlose Bücher