Lange Zähne
weiß
nicht, was ich tun soll. Ich weiß nicht, was ich tun soll.« Er setzte sich auf
die Couch und wiegte sich vor und zurück.
Vor mir sehe ich den Mann, der die
Feuerwehr gerufen hat, als die Toilette verstopft war, und den bitte ich nun um
Hilfe, dachte Jody. Was ist von so jemandem schon zu erwarten? Warum fahre ich
bloß immer wieder auf schwache Männer ab? Was stimmt mit mir nicht? Warum tut
meine Hand nicht weh? Soll ich lieber etwas essen oder in die Notaufnahme
fahren?
»Das ist alles ganz furchtbar«,
sagte Kurt. »Ich muß früh aufstehen. Ich habe morgen um fünf einen Termin.«
Jetzt, wo er wieder auf dem vertrauten Terrain des Selbstinteresses war, hörte
er auf, sich vor und zurück zu wiegen, und blickte auf. »Du hast mir immer noch
nicht gesagt, wo du letzte Nacht warst.«
Neben der Tür, an der Jody stand,
befand sich eine antike, eichene Blumensäule. Auf der Blumensäule stand ein
schwarzer Übertopf, in dem ein vertrockneter Philodendron lebte, die Heimstatt
einer Kolonie Blattläuse. Als Jody den Topf griff, konnte sie die Blattläuse in
ihren winzigen Netzen rascheln hören. Sie holte mit dem Topf aus und sah Kurt
blinzeln, eine langsame Bewegung des Augenlids, so als würde sich ein
elektrisches Garagentor heben. Ein Herzschlag ließ die Ader an seinem Hals
vortreten, als sie warf. Der Topf sauste in einem Bogen durchs Zimmer, zog die
Pflanze hinter sich her wie einen Kometenschweif. Verwirrte Blattläuse segelten
durch die Luft. Der Boden des Übertopfes traf auf Kurts Stirn, und Jody konnte
sehen, wie sich der Topf wölbte und dann zerbarst. Tonscherben und Blumenerde
regneten auf das Zimmer herab ; die Pflanze faltete sich gegen Kurts
Kopf, und Jody konnte hören, wie nacheinander die Stiele brachen. Kurt blieb
keine Zeit, den Gesichtsausdruck zu wechseln. Er sackte bewußtlos auf der Couch
zusammen. Das Ganze hatte den Bruchteil einer Sekunde gedauert.
Jody ging zur Couch und strich
Blumenerde aus Kurts Haaren. An seiner Stirn befand sich eine halbmondförmige
Delle, die sich vor Jodys Augen mit Blut füllte. Ihr Magen knurrte und
verkrampfte sich so heftig, daß sie vor Schmerz auf die Knie sank. Meine
Magenwände reißen auf, schoß es ihr entsetzt durch den Sinn.
Sie hörte Kurts Herz schlagen und
das langsame Röcheln seines Atmens. Wenigstens habe ich ihn nicht umgebracht.
Der Geruch von Blut war
überwältigend, erstickend süß. Ein weiterer Krampf ließ sie vornüber kippen.
Sie berührte die Wunde an Kurts Stirn, dann zog sie die Hand zurück, ihre
Finger naß von seinem Blut. Ich werde es nicht tun. Ich kann nicht.
Sie leckte sich die Finger ab, und
jeder Muskel in ihrem Körper vibrierte. Ein enormer Druck preßte gegen ihren
Gaumen, dann knisterte es in ihrem Kopf, als würde jemand die Wurzeln ihrer
Eckzähne herausreißen. Sie fuhr sich mit der Zunge über den Gaumen und fühlte
nadelgleiche Spitzen, die sich hinter ihren Eckzähnen durch das Zahnfleisch
schoben: Ihr wuchsen neue Zähne.
Das kann doch alles nicht wahr
sein, dachte sie bei sich, während sie sich rittlings auf Kurt setzte und das
Blut von seiner Stirn leckte. Die neuen Zähne wurden länger. Elektrisierende
Lust durchzuckte sie, und Jody wurde vor Erregung ganz anders.
Eine dünne Stimme in ihrem
Hinterkopf rief immer wieder und wieder 'Nein! während Jody in Kurts Hals biß
und trank. Sie hörte, wie sie bei jedem Schlag von Kurts Herzen aufstöhnte. Es
war ein Maschinengewehrfeuer-Orgasmus, dunkle Schokolade, Quellwasser in der
Wüste, ein Halleluja-Chor und die zur Hilfe heranpreschende Kavallerie, alles
auf einmal. Und das alles, während die schwache Stimme NEIN! schrie.
Schließlich löste sie sich von
Kurt und rollte sich auf den Boden. Sie saß mit dem Rücken zur Couch, die Arme
um die Beine geschlungen, ihr Gesicht gegen die Knie gepreßt, und Zuckungen der
Lust schüttelten sie. Eine dunkle Wärme strömte durch ihren Körper, kribbelnd,
so als wäre sie gerade aus einer Schneewehe in ein heißes Bad gestiegen.
Langsam verebbte die Wärme, wurde
von einer herzzerreißenden Trauer ersetzt - das Gefühl eines so
unwiderruflichen, tiefen Verlustes, daß Jody von seiner schieren Last betäubt
war.
Ich kenne dieses Gefühl. Das habe
ich schon erlebt.
Sie drehte sich um und betrachtete
Kurt. Sie war ein wenig erleichtert, als sie sah, daß er noch atmete. Es waren
keine Verletzungen an seinem Hals, wo sie ihn gebissen hatte. Die Wunde an
seiner Stirn gerann und verschorfte. Der Geruch von
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