Lange Zähne
Asiatischen Kulturzentrum entfernt.
Sollte es wirklich so einfach sein?
Das erste, was ihr auffiel, als
sie Zimmer 212 des Asiatischen Kulturzentrums betrat, war, daß alle Leute, die
in einem Kreis aus Plastikstühlen saßen, alle zwanzig, Wärme-Auren
ausstrahlten. Es waren alles Menschen.
Jody wollte sich gerade wieder
verdrücken, als eine birnenförmige Frau in einem Trikot und einem schwarzen
Umhang sie aufhielt und ihre Hand ergriff.
»Herzlich willkommen«, sagte die
Frau. Sie offenbarte ein Paar recht spitz aussehender Reißzähne, die sie zum
Lispeln zwangen. »Ich bin Tabitha. Wir wollen gerade anfangen. Kommen Sie
herein. Es gibt Kaffee und Kekse.«
Sie führte Jody zu einem
orangefarbenen Plastikstuhl und drängte sie, sich hinzusetzen. »Das erste Mal
ist immer schwer, aber jeder hier hat dasselbe durchgemacht.«
»Wohl kaum«, bemerkte Jody und
wischte sich einen Spucketropfen von Tabitha von der Wange.
Tabitha zeigte auf ein
Plastikmedaillon, das an einer Silberkette um ihren Hals hing. »Sehen Sie
diesen Chip? Ich bin seit sechs Monaten clean und blutlos. Wenn ich es schaffen
kann, schaffen Sie es auch. Eine Nacht nach der anderen.«
Tabitha drückte aufmunternd Jodys
Arm, dann warf sie sich ihren Umhang über die Schulter, drehte sich schwungvoll
um und schritt mit wallendem Umhang durch den Raum zum Keksbüffett.
Jody musterte die anderen
Anwesenden im Raum. Alle unterhielten sich, die meisten sahen zwischen zwei Schlucken
Kaffee verstohlen zu ihr herüber. Die Männer waren alle hochgewachsen und dünn,
mit vorstehenden Adamsäpfeln und schlechter Haut. Ihre Kleidung reichte von
dreiteiligen Anzügen bis zu Jeans und Flanell. Wären da nicht die Umhänge
gewesen, hätte man sie für einen Schachclub auf Ausflug halten können. - Und
sie trugen alle Umhänge. Vier von sieben hatten Reißzähne. Zwei der vier
Gebisse waren aus selbstleuchtendem Plastik gemacht.
Jody konzentrierte sich auf zwei
von ihnen, die in der Ecke tuschelten. »Ich hab dir ja gesagt, das hier ist
eine wahre Fundgrube für Babes. Hast du die Rothaarige gesehen?« Er sah
verstohlen zu Jody herüber. »Ich glaube, die habe ich letzte Woche bei den
Zwanghaften Putzteufeln gesehen.«
»Die Zwanghaften Putzteufel wollte
ich auch mal ausprobieren. Wie stehen die Chancen?«
»Jede Menge Schwule, aber ein paar
Babes. Die meisten riechen nach Pinesol, aber wenn du auf Latex-Handschuhe
stehst, geht richtig die Post ab.«
»Cool, den Laden werd ich mir mal
ansehen. Ich denke, bei den Erwachsenen Kindern von Alkoholikern werde ich
aussteigen. Die wollen sich alle nur in Schuldgefühlen wälzen, keiner in
seidenen Laken.«
Ich weiß nicht, ob ich stumme
Verzweiflung wirklich so deutlich hören möchte, dachte Jody. Sie wandte ihre
Aufmerksamkeit den Frauen im Raum zu.
Eine zwei Meter große Brünette in
einer schwarzen Chor-Robe und kabukigleichem Make up klagte einer
ausgewaschenen Blondine in einem zerschlissenen Hochzeitskleid ihr Leid. »Sie
wollen gefesselt werden, ich fessle sie. Sie wollen geschlagen werden, ich
schlage sie. Sie wollen beschimpft werden, ich beschimpfe sie. Aber versuch
mal, ein bißchen von ihrem Blut zu trinken, und sie schreien wie Babys. Was ist
denn mit meinen Bedürfnissen?«
»Ich weiß«, sagte die Blondine.
»Als ich Robert einmal gebeten habe, im Sarg zu schlafen, da hat er mich
verlassen.«
»Du hast einen Sarg? Ich will auch
einen Sarg.«
Himmel, dachte Jody, ich muß hier
raus.
Tabitha klatschte in die Hände.
»Laßt uns das Treffen beginnen!“«
Jene, die standen, suchten sich
Stühle. Etliche Männer versuchten, sich auf einen der Plätze neben Jody zu
drängen. Ein Häftling mit Erdnußbutter-Atem beugte sich zu ihr herüber und
sagte: »Ich war Halloween bei Oprah. Männer, die Blut trinken, und Frauen,
die sie widerlich finden.« Wenn du willst, kannst du nach dem Treffen mit zu
mir kommen und dir das Video anschauen.«
»Ich verschwinde hier«, erklärte
Jody. Sie sprang auf und eilte zur Tür.
Hinter sich hörte sie Tabitha
sagen: »Hallo, ich bin Tabitha, und ich bin ein blutsaugendes Ungeheuer.«
»Hallo, Tabitha«, antwortete die
Gruppe im Chor.
Draußen schaute Jody rechts und
links die Straße hinauf. Sie fragte sich, welche Richtung sie einschlagen
sollte, was sie tun sollte. An einer Telefonzelle blieb sie stehen, doch dann
erkannte sie, daß es niemanden gab, den sie anrufen konnte. Tränen sprangen in
ihre Augen. Wozu noch hoffen? Der einzige, der auch nur die
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