Lange Zähne
leiseste Ahnung
hatte, wie sie sich fühlte, war der Vampir, der sie erschaffen hatte. Und er hatte
ihr klipp und klar gesagt, daß er kein Interesse hatte, ihr zu helfen - der
miese Saftsack.
Ich sollte ihn mit meiner Mutter
verkuppeln, überlegte sie, dann könnten die beiden gemeinsam auf den Rest der
Menschheit herabsehen. Die Vorstellung ließ sie schmunzeln.
Plötzlich klingelte das Telefon.
Sie starrte es einen Augenblick lang an, schaute sich um, ob jemand rangehen
würde, doch abgesehen von einem Mann, der zwei Blocks entfernt neben seinem
Wagen stand, war die Straße verlassen.
Sie nahm den Hörer ab. »Hallo.«
»Ich dachte mir schon, daß Sie
irgendwann hier aufkreuzen würden«, sagte eine Männerstimme.
»Wer spricht da?« fragte Jody. Der
Mann klang jung, seine Stimme war ihr nicht vertraut.
»Das kann ich Ihnen jetzt noch
nicht sagen.«
»In Ordnung«, sagte Jody.
»Tschüß.«
»Warten Sie, warten Sie, legen Sie
nicht auf!«
»Nun?«
»Sie sind es, stimmt's? Sie sind
echt. Ich meine, Sie sind ein echter Vampir.«
Jody hielt den Hörer von sich
entfernt und starrte ihn an, als wäre er plötzlich lebendig geworden. »Wer
spricht denn da?«
»Ich möchte Ihnen meinen Namen
nicht nennen. Ich will nicht, daß Sie mich aufspüren können. Lassen Sie uns
einfach sagen, ich bin ein Freund.«
»Ja, stimmt, Sie sind auch genauso
wie die meisten meiner Freunde«, gab Jody trocken zurück. »Die sagen mir auch
nie, wie sie heißen oder wo ich sie finden kann. Auf die Art habe ich recht
wenig gesellschaftliche Verpflichtungen.« Wer war dieser Mann? Wer konnte bloß
wissen, daß sie hier war, in diesem Moment?
»In Ordnung, ich vermute, ich bin
Ihnen etwas schuldig. Ich bin Medizinstudent an... an einem örtlichen College.
Ich habe eine der Leichen untersucht... eine der Leichen, die Sie umgebracht
haben.«
»Ich habe niemanden umgebracht.
Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Wenn ich die bin, für die Sie mich halten,
woher wußten Sie dann, daß ich hier sein würde? Bis vor einer Stunde wußte ich
das selbst noch nicht.«
»Ich habe gewartet, habe seit
einigen Wochen jeden Abend Ausschau gehalten. Ich hatte die Theorie, daß Sie
keine wahrnehmbare Körperwärme ausstrahlen würden, und Sie tun es tatsächlich
nicht.«
»Wovon reden Sie? Niemand kann die
Körperwärme von jemand anderem wahrnehmen.«
»Sehen Sie die Straße hinauf.
Neben dem weißen Toyota. Nebenbei bemerkt, der Motor läuft. Wenn Sie auch nur
einen Schritt in meine Richtung machen, bin ich weg.«
Jody betrachtete den Mann, der ein
ganzes Stück die Straße hoch neben einem weißen Wagen stand. Der Motor lief.
Der Mann hielt ein Handy in der Hand und sah durch ein sehr großes Fernglas zu
ihr herüber.
»Ich sehe Sie«, sagte sie. »Was
wollen Sie?«
»Ich schaue Sie durch ein
Infrarot-Fernglas an. Sie strahlen keine Körperwärme ab, daher weiß ich, daß
Sie es sind. Meine Theorie war richtig.«
»Sind sie ein Cop?«
»Nein, ich sagte schon, ich bin
Medizinstudent. Ich will Sie nicht verhaften. Um ehrlich zu sein, könnte ich
Ihnen vielleicht sogar helfen, wenn Sie an Hilfe interessiert wären.«
»Legen Sie los«, sagte Jody. Sie
hielt die Hand über die Sprechmuschel und konzentrierte sich auf den Mann neben
dem Wagen. Sie konnte ihn in das Handy sprechen hören.
»Sie haben einen der Kadaver an
unser Seminar gegeben, nachdem der Leichenbeschauer damit fertig war. Männlich,
etwa sechzig Jahre alt, das dritte Opfer, glaube ich. Mir ist aufgefallen, daß
da eine saubere Stelle am Hals war, so als wäre sie gewaschen worden. Das hatte
der Leichenbeschauer in seinem Bericht nicht vermerkt. Ich habe eine
Gewebeprobe entnommen und sie unter dem Mikroskop angesehen. Das Gewebe in
diesem Bereich lebte. Regenerierte sich. Ich habe eine Kultur angelegt ; sie starb ab - bis ich auf eine Ahnung hin etwas hinzugab.«
»Was?« fragte Jody. Sie wußte
nicht, was sie von all dem halten sollte. Dieser Mann wußte, daß sie ein Vampir
war, und sie verspürte den Drang, ihn anzugreifen. Irgendein Schutzinstinkt
wollte, daß sie ihm weh tat. Ihn tötete. Sie rang um Beherrschung.
»Hämoglobin. Ich habe menschliches
Hämoglobin hinzugegeben. Und das Gewebe hat wieder angefangen, sich zu
regenerieren. Ich habe es in den Sequencer gegeben. Es ist keine menschliche
DNS. Nah dran, aber doch nicht menschlich. Sie produziert keine Wärme und
scheint Nährstoffe nicht so zu verbrennen, wie Säugetierzellen es tun. Der
Leichenbeschauer sagte,
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