Langenscheidt Fußball-Deutsch, Deutsch-Fußball
die Spielerduschen vornehmlich tief unten im muffigen Keller der Vereinshäuser angesiedelt waren, war diese Tugend besonders ausgeprägt.Zu dieser Zeit waren die Duschen meist fensterlose Treibhäuser, die nur durch ein rostiges, perforiertes Gitter die Ahnung von einer Verbindung zur Außenwelt aufkommen ließen. Der Fußpilz hatte dadurch keine Frischluftattacken zu befürchten. Meist lebten mehrere Völker friedlich nebeneinander. Einige davon waren deutlich sichtbar, in jeder Ecke als anerkannte Raumausstattung geduldet, zunächst als kleine Insel aus schwarzen Punkten, später zum umfassenden Flächenmuster auf motivlosen Einheitsfliesen ausgeufert.
Wer beim Anblick dieser Lebend-Graffiti einen Anflug von Unwohlsein spürte, wer überhaupt den wie selbstverständlich dort wachsenden Pilz als auffällig registrierte, der war für Fußball nicht geschaffen. Seien wir ehrlich: Richtig angekommen in diesem Sport war man doch erst, wenn man es geschafft hatte, dieses schrecklich brennende Feuer zwischen den Zehen auszuhalten ohne zu klagen, und wenn man wie selbstverständlich immer weiter unter die gleichen Duschen hüpfte – ohne Badeschlappen, versteht sich.
Vor allem die Proficlubs haben diesen treuen Anhänger mittlerweile jedoch aus dem Spiel genommen – durch große, gut durchlüftete Räume mit strahlend weißen, unbefleckten Kacheln an der Wand, so glatt, dass den Kulturen der Halt fehlt. Und sollte dennoch einmal ein ganz mutiger Zeitgenosse dieser ehemaligen Fußballspezies bis in diese sterile OP-Anmutung vordringen, dann fällt er mit Sicherheit dem bestens ausgerüsteten Reinigungspersonal zum Opfer. Verständlich also, dass der Fußball so manche Kultur verloren hat.
HÄTTEN SIE’S GEWUSST?
Übrigens: Trotz aller medizinischer Fortschritte ist der Fußpilz angeblich immer noch 60% der Fußballspieler zugetan.
FUSSBALLDEUTSCH – G
FUSSBALLDEUTSCH
G
Gelbe und rote Karte
GELBE UND ROTE KARTE
Schiedsrichter zu Willi Lippens: „Ich verwarne Ihnen.“
Willi Lippens zu Schiedsrichter: „Ich danke Sie.“
Rote Karte wegen Schiedsrichterbeleidigung.
Wer eine gelbe oder rote Karte gezeigt bekommt, hat beim Schiedsrichter schlechte Karten. Dass beides trotzdem gute Karten für den Fußball sind, wird klar, wenn man die Entstehung der Kartenidee nachvollzieht. Also wollen wir kurz nachkarten:
Den Anfang nahm die Geschichte um die Karten, die auch heute noch die Disziplin auf dem Spielfeld regeln, anno 1935: Ein gewisser Kenneth George Aston wurde, gerade mal 20 Jahre alt, Lehrer im englischen Essex.
Und als solcher musste er häufig bei kleineren und größeren Auseinandersetzungen schlichten. So auch bei einem fußballerischen Gegeneinander. Das gefiel Aston offensichtlich so sehr, dass er 1936 seine Schiedsrichterausbildung abschloss. Anfang der 60er-Jahre galt er unbestritten als einer der drei besten Referees in England. So wurde er bei der Weltmeisterschaft 1962 in Chile eingesetzt und selbstverständlich auch 1966 bei der darauf folgenden WM im eigenen Land, bei der er Vorsitzender der FIFA-Schiedsrichterkommission war. Als solcher sah er die Partie Argentinien gegen England mit dem tapferen Ulmer Schneidermeister Rudolf Kreitlein als Unparteiischem. Es war ein aufregendes Spiel, das die Gemüter der Akteure so sehr erregte, dass manch einer rot sah – sprichwörtlich wohlgemerkt, noch nicht als Karte! Kreitlein stellte deshalb den Südamerikaner Rattin vom Platz, der sich jedoch minutenlang weigerte, das Spielfeld zu verlassen.
Aufgrund der Sprachbarrieren konnte aber niemand mit hundertprozentiger Sicherheit sagen, ob der Argentinier die mündlich verhängte Strafe tatsächlich auch sofort verstanden hatte. So lasen zum Beispiel auch die englischen Fußballbrüder Jack und Bobby Charlton erst am nächsten Morgen in der Zeitung, dass sie verwarnt worden waren. Beide beteuerten, dass sie davon überhaupt nichts mitbekommen hätten und riefen den Turnierleiter an, um die Angelegenheit zu klären.
Denn damals gab es wenigstens schon das Notizbuch, in das der Schiedsrichter die Namen der verwarnten Spieler eintrug. (Daher stammt übrigens der Begriff
booking
, mit dem die Engländer heute noch die gelbe Karte bezeichnen.)
Als Kenneth George Aston – so heißt es – an diesem Tag nach all dem Durcheinander nach Hause fuhr, hätte er gedankenversunken beinahe eine rote Ampel überfahren. Das Licht sprang von Gelb auf Rot, und Aston kam im letzten Moment mit seinem flotten MG Sportwagen
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