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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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gleichzeitig.
    »Nein«, sagte er. Er wurde langsam wieder müde.
    »Ted ist nicht hier«, sagte sie. »Ted kommt kaum je hierher. Ich … ich gehe zu ihm.«
    Danke, dass du mir das sagst, Amy, hätte er beinahe gesagt, schluckte es aber hinunter. Es wäre schön, wenigstens eine Unterhaltung ohne einen Schwall Schuldvorwürfe zu beenden. Daher sagte er nicht danke, dass du mir das gesagt hast, und er sagte nicht, das wird sich ändern, und vor allem fragte er nicht: Was ist eigentlich mit dir los, Amy?
    Vielleicht hauptsächlich deswegen, weil sie ihn dann dasselbe gefragt hätte.

 
8
     
    Sie hatte vorgeschlagen, Dave Newsome anzurufen, den Polizisten von Tashmore – schließlich konnte der Mann gefährlich sein. Mort sagte, er hielte das nicht für erforderlich, jedenfalls noch nicht, aber falls ›John Shooter‹ wieder zu Besuch kam, würde er Dave wahrscheinlich anläuten. Nach ein paar weiteren stockenden Höflichkeiten legten sie auf. Er wusste, sie war immer noch sauer wegen seiner unverblümten Andeutung, Ted könnte derzeit in Mortybears Sessel sitzen und in Mortybears Bett schlafen, aber er wusste aufrichtig nicht, wie er es vermeiden sollte, Ted Milner früher oder später zu erwähnen. Schließlich war der Mann ein Teil von Amys Leben geworden. Und sie hatte ihn angerufen, das war es ja. Sie hatte eines ihrer komischen Gefühle bekommen und ihn angerufen.
    Mort kam zu der Stelle, wo sich der Weg um den See gabelte – der rechte Weg führte die steile Uferböschung hinauf zum Lake Drive. Diesen Weg nahm er, schritt langsam dahin und genoss die herbstlichen Farben. Als er um die letzte Kurve des Wegs kam und das schmale schwarze Band des Asphalts sehen konnte, war er irgendwie nicht überrascht, den staubigen blauen Kombi mit dem Nummernschild aus Mississippi dort parken zu sehen wie einen häufig geprügelten Hund, der an einen Baum gekettet wurde, ebenso wenig wie die schlanke Gestalt von John Shooter, der mit vor der Brust verschränkten Armen am rechten vorderen Kotflügel lehnte.
    Mort wartete darauf, dass sein Herz schneller schlug, dass Adrenalin in seinen Körper gepumpt wurde, aber sein Herz behielt den normalen Schlag bei, seine Drüsen folgten ihrem eigenen Willen – und der schien jedenfalls vorerst zu sein, ruhig zu bleiben.
    Die Sonne, die hinter einer Wolke verschwunden war, kam wieder heraus, und die Herbstfarben, die die ganze Zeit leuchtend gewesen waren, schienen nun zu Flammen zu explodieren. Sein eigener Schatten kehrte zurück, dunkel und lang und scharf umrissen. Shooters runder schwarzer Hut sah noch schwärzer aus, das blaue Hemd noch blauer, und die Luft war so klar, dass der Mann wie aus einem Stückchen Wirklichkeit ausgeschnitten wirkte, das heller und strahlender als das war, welches Mort normalerweise kannte. Und ihm wurde klar, dass er sich geirrt hatte, was seine Gründe anbetraf, Dave Newsome nicht anzurufen – oder er hatte ein wenig Täuschung praktiziert, sich selbst gegenüber ebenso wie Amy. Die Wahrheit war, er wollte allein mit dieser Sache fertig werden. Vielleicht nur um mir selbst zu beweisen, dass es noch Sachen gibt, mit denen ich fertig werden KANN, dachte er und ging weiter den Hügel hinauf Richtung John Shooter, der an seinem Auto lehnte und auf ihn wartete.

 
9
     
    Der Spaziergang am See entlang war lang und langsam zugleich gewesen, und Mort hatte nicht ausschließlich über Amys Anruf nachgedacht, während er ab und zu innehielt, um über einen umgestürzten Baumstamm zu steigen oder einen flachen Stein auf dem Wasser hüpfen zu lassen (als Junge konnte er einen richtig guten – »Flachhopser« hatten sie sie immer genannt – bis zu neunmal springen lassen, aber heute war es ihm nur viermal gelungen). Er hatte sich auch überlegt, wie er Shooter handhaben sollte, falls Shooter noch einmal aufkreuzte.
    Es stimmte, er hatte eine vorübergehende – oder vielleicht auch nicht ganz so vorübergehende – Schuld empfunden, als er sah, dass die beiden Geschichten beinahe identisch waren, aber er war damit fertig geworden; er vermutete, es war lediglich das allgemeine Schuldgefühl, das Schriftsteller manchmal empfanden. Was Shooter selbst betraf die einzigen Gefühle, die er ihm gegenüber hegte, waren Wut und Verdruss … und eine Art Erleichterung. Er war von einer unbestimmten Wut erfüllt; seit Monaten schon. Es war gut, dass er endlich einen Sündenbock gefunden hatte, an dem er seine verfaulte, stinkende Scheißlaune auslassen konnte.
    Mort

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