Langoliers
der Feuerwehrchef, meine ich … er war als erster hier, aber dann kam die Polizei, und die haben Fragen gestellt, Mort, in erster Linie nach dir … über Feinde, die du vielleicht hast … Feinde … und ich habe gesagt, ich glaube nicht, d-dass du Feinde hast … ich habe versucht, alle Fragen zu beantworten …«
»Ich bin sicher, du hast alles ausgezeichnet gemacht«, sagte er sanft.
Sie fuhr fort, als hätte sie ihn nicht gehört, sprach in atemlosen, abgehackten Sätzen wie ein Telegrafenbeamter, der schlechte Nachrichten laut vorliest, so wie sie vom Lochstreifen rollen. »Ich wusste nicht einmal, wie ich ihnen sagen sollte, dass wir geschieden sind … und das haben sie natürlich nicht gewusst … Ted musste es ihnen schließlich sagen … Mort … die’ Bibel meiner Mutter … sie war auf dem Nachttisch im Schlafzimmer … Bilder meiner Familie waren darin … und … und es war das einzige … das einzige, was ich von ihnen h-h-hat-te …«
Ihre Stimme löste sich in kläglichem Schluchzen auf.
»Ich komme morgen vorbei«, sagte er. »Wenn ich um sieben aufbreche, kann ich um halb zehn dort sein. Vielleicht um neun, es herrscht ja kein Sommerverkehr. Wo bleibst du heute Nacht? Bei Ted?«
»Ja«, sagte sie schniefend. »Ich weiß, du kannst ihn nicht leiden, Mort, aber ich weiß nicht, was ich heute Abend ohne ihn angefangen hätte … wie ich mit … du weißt schon … ihren vielen Fragen fertig geworden wäre …«
»Dann bin ich froh, dass du ihn hattest«, sagte er fest. Er fand die Ruhe, die Zivilisiertheit in seiner Stimme wahrhaft erstaunlich. »Gib auf dich acht. Hast du deine Tabletten?« Sie hatte in den letzten sechs Jahren ihrer Ehe ein Xanax-Rezept, nahm sie aber nur, wenn sie flog … oder, fiel ihm wieder ein, wenn sie eine öffentliche Funktion erfüllen musste. Eine, die die Anwesenheit der Schriftstellergattin erforderlich machte.
»Sie waren im Medizinschränkchen«, sagte sie verdrossen. »Ist nicht wichtig. Ich bin nicht gestresst. Nur niedergeschlagen.«
Mort sagte ihr, dass das manchmal ein und dasselbe war, überlegte es sich dann aber anders.
»Ich komme, so schnell ich kann«, sagte er. »Wenn du meinst, es würde dir helfen, wenn ich heute Nacht schon komme …«
»Nein«, sagte sie. »Wo sollten wir uns treffen? Bei Ted?«
Plötzlich sah er ungewollt, wie er den Universalschlüssel eines Zimmermädchens in der Hand hielt. Sah ihn das Schloss einer Moteltür öffnen. Sah die Tür aufschwingen. Sah die überraschten Gesichter über dem Laken, das von Amy links, das von Ted Milner rechts. Durch den Schlaf war seine hingefönte Frisur zerzaust und schief, und Mort fand, er sah ein klein wenig wie Alfalfa in den alten Kurzfilmen mit den ›Kleinen Strolchen‹ aus. Als er das Haar des Mannes in schiefen Schlaflocken gesehen hatte, war Ted Milner Mort auch zum ersten Mal wirklich vorgekommen. Er hatte ihren Schrecken und ihre nackten Schultern gesehen. Und plötzlich, fast beiläufig, dachte er: Eine Frau, die einem die Liebe stahl, wenn man außer Liebe nichts hatte …
»Nein«, sagte er, »nicht bei Ted. Wie wäre es mit dem kleinen Cafe in der Witcham Street?«
»Wäre es dir lieber, wenn ich allein komme?« Sie hörte sich nicht wütend an, aber sie hörte sich an, als wäre sie bereit, wütend zu werden. Wie gut er sie kannte, dachte er. Jede Bewegung, jede Veränderung ihrer Stimme, jede Redewendung. Und wie gut sie mich kennen muss.
»Nein«, sagte er. »Bring Ted mit. Das wäre prima.« Nicht prima, aber er konnte damit leben. Glaubte er.
»Also halb zehn«, sagte sie, und er konnte hören, wie sie sich ein wenig entspannte. »Marchman’s.«
»Heißt das Lokal so?«
»Ja – Marchman’s Restaurant.«
»Okay. Halb zehn oder etwas früher. Wenn ich als erster dort bin, mache ich mit Kreide ein Zeichen an die Tür …«
»… und wenn ich als erste da bin, lösche ich es aus«, beendete sie den alten Spruch zwischen ihnen, und sie lachten beide ein wenig. Mort stellte fest, dass selbst das Lachen weh tat. Sie kannten einander, logisch. Hatten die gemeinsamen Jahre nicht dafür gesorgt? Und tat es nicht deshalb so verdammt weh, wenn man feststellte, dass die gemeinsamen Jahre nicht nur enden konnten, sondern wirklich zu Ende waren!
Plötzlich dachte er an die Nachricht, die er auf dem Müllkasten entdeckt hatte – SIE HABEN 3 TAGE: ICH SPASSE NICHT.
Er überlegte sich zu sagen: Ich habe hier unten selbst ein wenig Ärger gehabt, Amy, aber dann wurde ihm
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