Langoliers
die Stadt.
32
Auf dem Weg zu Bowie’s fuhr er wieder an Toms Haus vorbei. Der Scout stand nicht mehr in der Einfahrt. Einen Augenblick war Mort nervös, doch dann entschied er, dass es ein gutes Zeichen war, kein schlechtes – Tom hatte sein Tagwerk schon begonnen. Oder er war selbst zu Bowie’s gegangen. Tom war Witwer und aß häufig im Imbiss des Warenhauses.
Die meisten öffentlichen Arbeiter von Tashmore waren an der Theke, tranken Kaffee und unterhielten sich über die bevorstehende Jagdzeit für Wild, aber Tom war (tot er ist tot Shooter hat ihn getötet und rat mal wessen Auto er benützt hat) nicht dabei.
»Mort Rainey!« Gerda Bowie begrüßte ihn mit ihrem gewohnt heißeren Bleachure-Creature-Ruf. Sie war eine große Frau mit dichtem kastanienfarbenem Haar und einem gewaltigen runden Busen. »Ich hab’ Sie ja seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen! In letzter Zeit mal wieder ein paar gute Bücher geschrieben?«
»Ich versuche es«, sagte Mort. »Sie würden mir nicht zufällig eins von Ihren Spezialomeletts machen, oder?«
»Auf keinen Fall!« sagte Gerda und lachte, um zu zeigen, dass sie nur Spaß machte. Die Arbeiter in ihren olivfarbenen Overalls lachten mit ihr. Mort wünschte sich kurz eine große Pistole, wie Dirty Harry sie unter dem Tweedmantel trug. Bumm-peng-knall, dann hatten sie vielleicht ein wenig Ordnung hier drinnen. »Kommt sofort, Mort.«
»Danke.«
Als sie es zusammen mit Toast, Kaffee und Orangensaft brachte, sagte sie mit leiser Stimme: »Ich habe von Ihrer Scheidung gehört. Tut mir leid.«
Er hob die Kaffeetasse mit einer Hand zum Mund, die fast ruhig war. »Danke, Gerda.«
»Kommen Sie zurecht?«
»Nun … ich versuche es.«
»Sie sehen nämlich ein bisschen käsig aus.«
»Manchmal kann ich nachts nicht schlafen. Ich schätze, ich habe mich noch nicht an die Ruhe gewöhnt.«
»Dummes Zeug – Sie sind nicht daran gewöhnt, allein zu schlafen. Aber ein Mann muss nicht ewig allein schlafen, Mort, nur weil seine Frau nicht einsehen kann, was sie Gutes an ihm hat. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich so mit Ihnen rede …«
»Überhaupt nicht«, sagte Mort. Aber es machte ihm etwas aus. Er fand, dass Gerda Bowie eine beschissene Ann-Landers-Imitation ablieferte.
»… aber Sie sind der einzige berühmte Schriftsteller, den diese Stadt hat.«
»Was wahrscheinlich ganz gut so ist.«
Sie lachte und zog ihn am Ohr. Mort fragte sich kurz, was sie sagen würde, was die großen Männer in den olivfarbenen Overalls sagen würden, wenn er die Hand biss, die ihn zog. Er war ein wenig schockiert, wie übermächtig anziehend diese Vorstellung war. Redeten sie alle über ihn und Amy? Sagten manche, sie wusste nicht, was sie Gutes gehabt hatte, und andere, dass die arme Frau es schließlich satt gehabt hatte, mit einem irren Mann zu leben, und abgehauen war, ohne zu wissen, wovon sie überhaupt redeten, oder wie es zwischen ihm und Amy wirklich gewesen war, als sie sich noch vertragen hatten? Natürlich redeten sie alle, dachte er müde. Darin waren die Leute schließlich am besten. Klatsch und Tratsch über Leute, deren Namen sie in der Zeitung lasen.
Er sah auf sein Omelette und wollte es nicht mehr.
Er langte trotzdem zu und schaffte es, den größten Teil hinunterzuwürgen. Es würde trotz allem ein langer Tag werden. Gerdas Ansichten über sein Aussehen und sein Liebesleben würden daran nichts ändern.
Als er fertig war, das Frühstück und eine Zeitung bezahlt und das Geschäft verlassen hatte (die öffentlichen Arbeiter waren fünf Minuten vor ihm en masse hinausgetrampelt, einer war gerade lange genug stehen geblieben, um sich ein Autogramm für seine Nichte geben zu lassen, die Geburtstag hatte), war es fünf nach neun. Er blieb lange genug hinter dem Lenkrad sitzen, bis er einen Artikel über das Haus in Derry auf Seite drei gefunden hatte. FEUERWEHRINSPEKTOREN VON DERRY HABEN KEINE HINWEISE IM BRANDSTIFTUNGSFALL RAINEY, lautete die Schlagzeile. Der Artikel selbst war nicht einmal eine Spalte lang. Der letzte Satz hieß: ›Morton Rainey, der mit Bestsellern wie Der Sohn des Leierkastenmanns und Die Familie Delacourt bekannt wurde, war nicht für eine Stellungnahme zu erreichen, was bedeutete, Amy hatte ihnen die Nummer in Tashmore nicht gegeben. Er musste sich dafür bedanken, wenn sie später anrief.
Aber zuerst zu Tom Greenleaf! Bis er zum methodistischen Gemeindezentrum kam, dürfte es zwanzig nach sein. Fast halb zehn. Er legte den Gang des
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