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Langoliers

Titel: Langoliers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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große Klippe, die aus dem Wasser ragte wie der Fangzahn eines toten Ungeheuers. Sie sah flüchtig grelles Orange, das eine Boje gewesen sein konnte.
    Sie kamen über eine kleine bewaldete Insel, und als sie sich vorbeugte und den Hals verdrehte, konnte sie die Küste direkt voraus sehen. Dünne Wolkenschleier verbargen die Sicht endlose fünfundvierzig Sekunden lang. Als sie sich verzogen hatten, war die 767 wieder über Land. Sie flogen über ein Feld; ein Waldstück; etwas, das wie ein See aussah.
    Aber wo sind die Häuser? Wo sind die Straßen und Autos und Häuser und Hochspannungsmasten?
    Dann löste sich ein Schrei aus ihrem Hals.
    »Was ist?« kreischte Dinah fast. »Was ist denn, Laurel? Stimmt etwas nicht?«
    »Nichts!« rief sie triumphierend. Unten konnte sie eine schmale Straße erkennen, die in ein kleines Küstenstädtchen führte. Von hier oben sah sie wie eine Spielzeugstadt mit winzigen Spielzeugautos aus, die auf der Hauptstraße parkten. Sie sah einen Kirchturm, eine Kiesgrube, das Baseballfeld der Jugendliga. »Nichts ist los! Es ist alles da! Es ist immer noch alles da!«
    Hinter ihr sagte Robert Jenkins etwas. Seine Stimme war ruhig, gleichmäßig und zutiefst bestürzt. »Madam«, sagte er, »ich fürchte, da irren Sie sich gewaltig.«
     
4
     
    Ein langes weißes Passagierflugzeug flog langsam fünfunddreißig Meilen Östlich vom Bangor International Airport dahin. 767 stand in großen, stolzen Ziffern auf dem Heck. Auf dem Rumpf standen die Worte AMERICAN PRIDE in schrägen Buchstaben, die Geschwindigkeit andeuten sollten. Auf beiden Seiten des Bugs befand sich das Markenzeichen der Fluggesellschaft: ein großer roter Adler. Blaue Sterne waren auf seinen ausgebreiteten Schwingen verteilt; die Krallen waren gespannt, der Kopf leicht gebeugt. Der Adler schien, wie das Flugzeug, auf das er gemalt war, zur Landung anzusetzen.
    Das Flugzeug warf keinen Schatten am Boden, während es auf die Stadt voraus zuflog; es regnete nicht, aber der Morgen war grau und bewölkt. Der Bauch des Flugzeugs glitt auf. Das Fahrgestell kippte heraus und entfaltete sich. Die Räder rasteten unter dem Leib des Flugzeugs und dem Cockpit ein.
    American-Pride-Flug Nr. 29 sank Bangor entgegen. Dabei schwenkte die Maschine leicht nach links; Kapitän Engle hatte jetzt genug Sicht, um den Kurs zu korrigieren.
    »Ich sehe ihn!« rief Nick. »Ich sehe den Flughafen! Mein Gott, was für ein herrlicher Anblick!«
    »Wenn Sie ihn sehen, sind Sie nicht auf Ihrem Sitz«, sagte Brian. Er drehte sich beim Sprechen nicht um. »Anschnallen, still sitzen und still sein.«
    Aber die lange Landebahn war wirklich ein wunderbarer Anblick.
    Brian richtete die Mitte des Bugs danach aus und setzte die Landung fort, dreihundert Meter, zweihundertsiebzig. Unter ihm erstreckte sich ein scheinbar endloser Pinienwald. Dieser wich einer Ansammlung von Gebäuden – Brians unermüdliche Augen erkannten automatisch die übliche Ansammlung von Motels, Tankstellen und Schnellimbißrestaurants; dann überflogen sie den Penobscot River. Brian sah wieder aufs Armaturenbrett, erblickte überall grüne Lichter und versuchte dann noch einmal, den Flughafen zu erreichen … obwohl er wusste, dass es hoffnungslos war.
    »Tower Bangor, hier Flug Nr. 29«, sagte er. »Ich melde einen Notfall. Wiederhole, ich melde einen Notfall. Wenn Sie Verkehr auf der Landebahn haben, schaffen Sie ihn aus dem Weg. Wir setzen zur Landung an.«
    Er sah auf den Geschwindigkeitsmesser und bekam eben noch mit, wie er unter 140 sank, die Geschwindigkeit, die ihm theoretisch die Landung ermöglichte. Unter ihm wichen die vereinzelten Bäume einem Golfplatz. Er sah ganz flüchtig ein grünes Holiday-Inn-Schild, dann rasten ihm die Lichter am Ende der Landebahn – 33 war in großen weißen Ziffern darauf geschrieben – entgegen.
    Die Lichter waren weder rot noch grün.
    Sie waren einfach tot.
    Keine Zeit, darüber nachzudenken. Keine Zeit, darüber nachzudenken, was mit ihnen passieren würde, wenn ein Learjet oder ein dicker kleiner Doyka-Pfützenhüpfer plötzlich vor ihnen auf die Rollbahn trudeln würde. Keine Zeit mehr, etwas anderes zu machen, als den Vogel zu landen.
    Sie kamen über einen kurzen Streifen Gras und Schotter, und plötzlich war die Landebahn zehn Meter unter dem Flugzeug. Sie flogen über die ersten weißen Streifen, und dann fingen dicht unter ihnen die schwarzen Gummispuren an – die so weit draußen wahrscheinlich von einem Düsenjäger der Air National

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