Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
versagte er zwei Jungen den Zugang zu seinen Hochbegabten-Studien, weil er bei ihnen nicht die notwendige Intelligenz dazu sah. Sie hießen Luis Walter Alvarez und William Bradford Shockley – und bekamen später jeweils einen Nobelpreis für Physik.
Aber Terman setzte auch eine Studie in Gang, die sich als Glücksfall für die Erforschung der Lebenserwartung herausstellen sollte. Um nämlich die positiven Effekte von Intelligenz herauszustreichen, rekrutierte er im Jahr 1921 insgesamt 1528 Grundschulkinder mit einem IQ von über 135 Punkten, um detaillierte Daten zu ihrer Gesundheit sowie zu ihrer Familiengeschichte und ihrem alltäglichen Leben zu sammeln. Vier Jahre später veröffentlichte er die Ergebnisse seiner Studie. Darin kommt er zu dem Schluss, dass seine hochbegabten Studienteilnehmer »ihre Altersgenossen in Körpergröße und
allgemeinem Gesundheitszustand übertreffen«, und es gebe auch keine Hinweise darauf, »dass sie emotional weniger angepasst sind«. Gerade die erste Schlussfolgerung ist von anderen Wissenschaftlern zum Teil heftig kritisiert worden, doch darauf soll an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Wichtiger für unseren Zusammenhang ist vielmehr, dass Terman seine Forschungen mit seiner ersten Veröffentlichung nicht etwa abbrach. Vielmehr blieb er weiterhin mit seinen »Termiten«, wie sich die Testpersonen später in Anlehnung an seinen Namen nannten, in Kontakt und sammelte Daten zu ihnen. Er tat dies bis zu seinem Tod 1956. Auf diese Weise sorgte er für eine Datenbasis, die den Namen Langzeitstudie wirklich verdiente – und diese sollte mit dem Ableben ihres Gründers noch nicht beendet sein.
Daten aus acht Jahrzehnten
Ein Psychologenteam der Standford University führte die Untersuchung weiter und ließ die Probanden alle fünf Jahre einen umfangreichen Fragebogen ausfüllen. Nach ihrem Ableben ließ man sich die Todesurkunden zuschicken, um mehr über die Ursache ihres Ablebens zu erfahren. 1990 übernahmen schließlich Howard Friedman und Leslie Martin von der University of California das Projekt. Sie erkannten, dass die Termiten-Daten eigentlich keine Aufschlüsse über den Zusammenhang von Intelligenz, Sozialstatus und Gesundheit hergaben, weil die Testpersonen ja allesamt hochintelligent waren und aus weißen, gut situierten Familien stammten, sodass es in diesen Punkten keine Gruppe für einen Vergleich mit ihnen gab. Doch die beiden Psychologen erkannten auch den entscheidenden Vorteil dieser Einschränkung, dass nämlich IQ und Sozialstatus nun keine Störgrößen mehr in dem Bemühen waren, mehr über die entscheidenden Faktoren der Lebenserwartung zu erfahren.
In diesem Zusammenhang war es nun erst Recht ein Vorteil, dass die Studie über mehrere Jahrzehnte und Forschergenerationen lief. »Denn die besten Ergebnisse erhält man bei einer Untersuchung zur Lebenserwartung, wenn man die daran beteiligten Personen ihr ganzes Leben lang begleitet«, erklären Friedman und Martin. Doch dazu reicht das einzelne Forscherleben nicht aus. Wenn etwa ein Proband bei Studienbeginn zehn Jahre alt ist und der Forscher 40, müsste Letzterer vermutlich über 100 Jahre alt werden, um sein Testobjekt bis zu dessen Tode beobachten zu können. Schwierig. Man kann sich daher leicht vorstellen, mit welcher Begeisterung zwei ambitionierte Lebenserwartungsforscher wie Friedman und Martin sich in das Termiten-Forschungsprojekt gestürzt haben, das ihnen die Daten von etwa 1500 US-Amerikanern seit 1921 lieferte.
Sekundärtugenden führen primär zu einem langen Leben
Im Jahr 2011 fassten die amerikanischen Forscher ihre Ergebnisse in einem Buch zusammen: »The Longevity Project – Surprising Discoveries for Health and Long Life from the Landmark Eight-Decade-Study«. Eine dieser überraschenden Entdeckungen war die, dass Sport offenbar das Sterbealter kaum nach hinten verschiebt. »Die von Terman ausgewählten Männer und Frauen waren Jahrzehnte vor der Erfindung von Joggingschuhen, Fitnesscentern und modischen Medizintests geboren worden, aber viele hatten ein langes und gesundes Leben«, so die Psychologen.
Auch Heirat und Religiosität tragen keineswegs zwangsläufig zur Verlängerung des Lebens bei. »Manche Menschen haben das Gefühl, nicht fromm genug zu sein, und sie entschließen sich, mehr zu meditieren und zu beten«, bemerken
Friedman und Martin. »Das gibt zwar vielen ein besseres Gefühl, aber unsere Ergebnisse zeigen keinen Zusammenhang zwischen dieser Praxis
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