Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens
und einer erhöhten Gesundheit.« Und was die Ehe angeht: Männer leben kürzer, wenn sie eine Scheidung hinter sich bringen mussten. Doch wenn sie sich wiederverheiraten, zieht das ihre Lebenserwartung keineswegs wieder nach oben. Bei Frauen muss eine Hochzeit sogar als Hindernis und eine Scheidung umgekehrt als Pluspunkt auf dem Weg zur Langlebigkeit eingestuft werden.
Selbst Optimismus, der mittlerweile geradezu als Garant einer guten Gesundheit gefeiert wird, verlängert das Leben weniger, als gern vermutet wird. Pessimisten sterben zwar früher, doch das liegt daran, dass sie mehr Unfälle und Gewalt gegen sich erleben. »Schwarzmaler leben gefährlich«, warnen Friedman und Martin, »sie begeben sich oft auf einen riskanten Lebensweg.« Was schon erstaunlich ist, weil man von einem Pessimisten eher wenig Risikofreude erwartet, weil er ja vieles für zwecklos hält und daher nur selten aktiv wird. Doch er zieht mit seiner Einstellung auch mehr Unglück und Gewalt an. Nach dem Prinzip der selbsterfüllenden Prophezeiung: Wenn ich nur lang und intensiv genug mit dem Unheil rechne, kommt es auch. Doch unabhängig von diesem Zusammenhang könne man, wie die beiden Psychologen betonen, keine Kausalität zwischen Optimismus und einem langen Leben herstellen.
Nachdem sie noch Unbekümmertheit, Liebe, Kontaktfreude, Fröhlichkeit und überdurchschnittliche Schulbildung als Ursachen für ein langes Leben ausgeschlossen hatten, wurden Friedmann und Martin schon unsicher, ob sie überhaupt einen Faktor finden würden, der zuverlässig in ein langes Leben führt. Sie überprüften einmal mehr die alten Fragebögen, denn in den 1920ern war man ja in der Persönlichkeitsanalyse nicht so weit wie heute. Ihre Feststellung: Termans Vorgehensweise war auch aus heutiger Sicht auf Höhe der Zeit. Nur muss man sie anders lesen, nämlich weniger im Hinblick auf die herausstechenden als vielmehr auf die unauffälligen Persönlichkeitsmerkmale
hinter ihnen, jene nämlich, die gern als »Sekundärtugenden« bagatellisiert werden.
Dabei schälte sich ziemlich klar heraus, was wirklich zur Lebensverlängerung beiträgt: Disziplin und Gewissenhaftigkeit. »Wer sparsam, beharrlich, detailorientiert und verantwortungsvoll ist, lebt am längsten«, resümieren Friedman und Martin. »Gegen Ende des 20. Jahrhunderts waren 70 Prozent der Terman-Männer und 51 Prozent der Terman-Frauen gestorben – und es waren vor allem die Undisziplinierten, die das Zeitliche gesegnet hatten.« Zur Bestätigung dieser Einschätzung ließen die Wissenschaftler eine Meta-Analyse zu dem Thema durchführen. Das heißt, man suchte per Computer sämtliche jemals publizierten Studien, die mit der Selbstdisziplin zusammenhängende Beschreibungsmerkmale – wie etwa Besonnenheit, Verantwortungsbewusstsein sowie Selbst- und Impulskontrolle – in Verbindung mit der Lebensdauer setzten. Man fand immerhin 20 solcher Arbeiten, mit einer Gesamtzahl von etwa 9000 Probanden.
Die jeweiligen Ergebnisse wurden zusammengefügt, und dabei zeigte sich eine deutliche Bestätigung der Termiten-Studie: Wer in der Diszipliniertheit besonders hohe Werte erreicht, ist tatsächlich in jedem gegebenen Alter am wenigsten durch den Tod gefährdet. Wobei hier ein besonderes Augenmerk auf »jedes gegebene Alter« zu legen ist. Denn es heißt, dass Selbstdisziplin ein zuverlässiges Prognoseinstrument für das Lebensalter ist, egal, ob sie bei einem Schulkind, bei einem Erwachsenen oder bei einem Senior jenseits der 65 erhoben wird. Wenn Sie also ein Kind haben, das Ihnen suspekt vorkommt, weil es in der Schule lieber gewissenhaft seine Pflichten erledigt, als mit seinen Mitschülern zu spielen, sollten sie sich damit trösten: Es wird vermutlich steinalt. Und wenn Sie einen Opa haben, der mit 75 seine Angelegenheiten immer noch pünktlich und korrekt erledigt, anstatt es auf den Lorbeeren seines Alters lockerer angehen zu lassen, müssen Sie damit rechnen, dass dies wohl noch ein bis zwei Jahrzehnte so weiter gehen wird.
Ein paar Neurosen schaden nicht
Eine jüngere Studie des National Institute on Aging im amerikanischen Baltimore bestätigt die Ergebnisse der Termiten-Studie. Die amerikanischen Wissenschaftler analysierten die Daten von 1076 betagten Männern und Frauen über 65 Jahre, indem man sie zunächst mit einem speziellen Interviewbogen befragte, bei dem die sogenannten Big Five abgeklopft wurden, also die fünf wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale: Neurotizismus
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