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Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens

Titel: Langweiler leben länger - über die wahren Ursachen eines langen Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gütersloher Verlagshaus
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Senioren mussten also nichts weiter tun, als sich über das gedeihende Grün in ihrem Zimmer zu freuen. Außerdem konnten sie spontan darüber entscheiden, wo sie ihre Gäste empfangen und welche Filme sie am Abend gucken wollten. Man kann also durchaus sagen, dass es im Alltag dieser Gruppe wesentlich ungezwungener zuging.
    Doch Freiheit ist offenbar nicht unbedingt lebensverlängernd. Denn anderthalb Jahre nach Studienbeginn überprüften die Forscherinnen den Gesundheitszustand ihrer Probanden, und dabei, berichtet Langer, schnitten die zu festen Alltagsstrukturen verpflichteten Pflanzengießer wesentlich besser ab: »Sie waren heiterer, aktiver und aufmerksamer als die Mitglieder der Kontrollgruppe.« Auch ihr körperlicher
Zustand war deutlich besser – und ihre Sterbequote war in dem Versuchszeitraum nur halb so groß wie die der freiheitlichen Film- und Pflanzengenießer.
    Verbindliche Strukturen lassen also den Tod länger warten als die Freiheit, das Leben ohne Vorgaben genießen zu dürfen. Auch muss man dazu keine intellektuell anspruchsvollen Aufgaben lösen, wie heute aufgrund der grassierenden Alzheimer-Panik gern behauptet wird. Man kann auch ohne Hirnjogging und Gedächtnistraining, ohne Schach und Sudoku alt werden. Es reicht, wenn man einfache Dinge mit hoher Gewissenhaftigkeit erledigt. Von der profitieren übrigens nicht nur die Gewissenhaften selbst, sondern auch die Objekte ihrer Gewissenhaftigkeit. In der amerikanischen Studie dürften die grünen »Zimmergenossen« der Pflanzengießer deutlich länger am Leben geblieben sein als die der Nicht-Gießer-Gruppe, deren Pflegepersonal sich ja allenfalls im Vorbeigehen ums Topfgrün kümmern konnte.
    Aber es gibt noch eine weitere Lehre, die man aus dem Altersheim-Experiment der beiden Psychologinnen ziehen kann. »Unsere Probanden waren allesamt nicht mehr in körperlich und geistig fittem Zustand, sondern relativ gebrechlich«, erklärt Langer. »Wir waren deswegen umso überraschter, mit wie wenig Aufwand sich ihre Fitness verbessern ließ.« Alter und Gebrechlichkeit machen also nicht stumpf, wie weithin vermutet wird. Es bleiben immer noch genug Flexibilität und Sensibilität, um selbst auf kleinere Veränderungen im Alltag zu reagieren. Man ist nie zu alt, um sich selbst Strukturen, Pflichten und Ziele aufzuerlegen – und von ihnen zu profitieren.
    Dies soll aber nicht bedeuten, dass man nach dem Eintritt ins Rentenalter erst einmal zehn Jahre auf Müßiggang macht und sich dem süßen Nichtstun hingibt, bevor man schließlich zu einem strukturierten und gewissenhaften Alltag zurückkehrt. Denn dabei verfällt man körperlich und geistig möglicherweise in einem solchen Maß, dass man am
Ende kein Leben mehr hat, das sich restrukturieren ließe. Auf Nummer Sicher geht, wer nach dem Renteneintritt gar nicht erst eine Pause einlegt, sondern sich gleich auf irgendeine Weise weiterdiszipliniert. Beispielsweise indem er, sofern dies möglich ist, mit seinem Beruf weiter macht oder sich dem Diktat neuer lebensverlängernder Strukturen und Pflichten unterwirft. Dabei ist es egal, ob dies ehrenamtliche und damit als ehrenvoll angesehene Tätigkeiten sind oder Aktivitäten, die im Ruf des bloßen Zeitvertreibs stehen. Niemand muss sich vorschreiben lassen, was sinnvoll für ihn ist. In einigen buddhistischen Klöstern beschäftigen sich Mönche viele Stunden, Tage und Monate mit dem Kämmen eines Kiesbetts, immer auf der Suche nach der besten Ordnung, auch wenn Beobachter dieses Rituals weder vor noch nach dem Kämmen irgendwelche Strukturen erkennen können. Es spricht also nichts dagegen, dass Sie Ihr gesamtes Seniorenleben damit verbringen, ihren Schrebergarten auf Vordermann zu bringen oder an der Modelleisenbahn zu basteln, ohne dabei jemals zu einem Ende zu kommen. Was allein zählt, ist, dass es Ihr Leben in Ordnung hält – so wie es der Kamm mit dem Kiesbett tut.
    Weniger Dinge – mehr erleben!
    Disziplinierte Menschen leben länger. Dazu gehört, dass sie nicht nur im Beruf, sondern auch im Privatleben diszipliniert sind. Letzteres kann sogar von noch größerer Bedeutung für die Lebenserwartung sein, wie man an Jeanne Calment sieht, die in ihren 122 Lebensjahren überaus diszipliniert war, obwohl sie niemals viel und hart arbeiten musste. Entscheidend ist vielmehr, dass man nicht nur gelegentlich, sondern dauerhaft kontrolliert, strukturiert und gewissenhaft zu Werke geht. Denn was nützt es, wenn man sorgfältig arbeitet,
dafür

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