Lanze und Rose
den nächsten Tagen einen weiteren Angriff unternehmen. Trotz unserer Verluste ist unsere Truppenstärke der ihren immer noch überlegen.«
Alasdair griff jetzt ebenfalls nach der Flasche.
»Ich weiß nicht… Mar befindet sich gegenwärtig in Beratungen. Wir sind noch dabei, die Verluste zu schätzen. Sie sind ziemlich hoch. Der Captain von Clanranald ist bei der ersten Salve gefallen. Ein junger Earl ist umgekommen, und mehrere unserer Männer sind in Gefangenschaft geraten, darunter Strathallan und sein Bruder, Thomas Drummond.«
»Welche Verluste hat Glencoe erlitten?«, fragte Adam.
Alasdair warf Liam einen Blick zu, doch der schien in Gedanken anderswo zu sein.
»Nun ja, wir haben neun Männer verloren, dreiundzwanzig sind verletzt, und zwei werden vermisst. Aber nach der Farbe zu urteilen, welche die Hügel von Sheriffmuir angenommen hatten,
kann ich euch versichern, dass die Verluste der anderen Seite ebenso hoch sind wie unsere, wenn nicht höher. Wenn man dann noch den Umstand berücksichtigt, dass wir ohnehin die doppelte Truppenstärke besitzen wie sie, dann können wir uns wohl als Sieger betrachten.«
»Sieger? Und was haben wir gewonnen, Sandy? Es ist doch klar, dass wir uns auf dem Schlachtfeld im Kreis gedreht haben. Beide rechten Flügel haben den linken Flügel des Gegners zerschlagen. Wir haben überhaupt nichts gewonnen! Ein unentschiedenes Spiel, wenn du meine Meinung hören willst. Argyle wird mit Sicherheit Verstärkung aus England erhalten. Und wir, was bekommen wir aus Frankreich? Sie schicken uns allerhöchstens noch den König, damit wir ihn auf den Thron setzen können! Ansonsten sind wir auf uns gestellt. Argyle wird zurückkommen und beenden, was er begonnen hat. Wir waren achttausend gegen viertausend Mann! Was ist passiert? Wir haben es trotzdem nicht geschafft, sie zu schlagen. Das war etwas ganz anderes als in Killiecrankie.«
Zwischen den drei Männern trat ein verlegenes Schweigen ein, in dem nur das Plätschern des Whiskys in der Flasche, die zwischen ihnen kreiste, zu hören war. Jeder sah vor seinem inneren Auge die schrecklichen Szenen dieses furchtbaren Tages vorbeiziehen.
Liam begann die einschläfernde Wirkung des Alkohols zu spüren, der wie eine betäubende Medizin kurzzeitig sein Leiden dämpfte. Doch das Heilmittel ließ die grauenhaften Bilder, die immer wieder durch seinen verwirrten Geist huschten, nicht vollständig verschwinden.
»Es tut mir leid um Ranald, er war ein guter Junge … Ich weiß ja, dass es keine Worte gibt, um deinen Schmerz zu lindern, Liam, aber …«
»Ich will heim nach Glencoe«, verkündete Liam abrupt.
»Das geht nicht«, sagte Adam. »Das wäre Desertion, und du weißt, dass Deserteure bestraft werden.«
Liam stieß ein zynisches Lachen aus und riss dann Alasdair die Flasche aus den Händen, um sich noch weiter zu betäuben.
»Das ist mir vollständig gleich, Adam. Ich bin bereits tot. Ich brauche …«
Er unterbrach sich. Mit einem Mal stand ihm Caitlins Bild vor Augen. Eine Träne rann über seine Wange.
»Ich brauche sie«, stammelte er mühsam. »Außerdem muss sie das mit Ran erfahren. Ich glaube, das wird das Schwierigste, das ich je in meinem Leben tun musste. Meiner Frau das Herz zu brechen …«
Von neuem plätscherte der Whisky in der Flasche und verbrannte ihm die Kehle. Doch der Schmerz war noch angenehm, verglichen mit dem Gedanken an die Aufgabe, die ihn erwartete.
»Ich werde mir etwas einfallen lassen, um deine Abreise zu rechtfertigen, Liam«, sagte sein Cousin langsam. »Schließlich bist du mein erster Lieutenant. Ich werde dich mit einer wichtigen Nachricht für meinen Bruder betrauen. Das müsste ausreichen. Aber du musst zu uns zurückkehren.«
»Ja …«
»Reichen dir einige Tage aus?«
»Ein paar Tage, das ist gut, Sandy.«
Voller Zuneigung drückte Alasdair seine Schulter. Liam fühlte sich müde – schrecklich müde. Langsam erhob er sich, taumelte und fiel auf die Knie. Die ganze Welt drehte sich mit unerhörter Geschwindigkeit um ihn. Ihm wurde übel.
»Dir scheint es nicht gut zu gehen, Cousin«, hörte er durch den Nebel hindurch, der ihn umgab.
Nicht gut?, dachte er ironisch. Aber nein, ihm ging es wunderbar! Nur, dass er das Gefühl hatte, nie wieder schlafen zu können, ohne das Schwert zu sehen, das seinen Sohn erschlug. Ein Laut, der halb ein Schluchzen und halb ein Auflachen war, entrang sich seiner Kehle.
»Liam … He, mein Alter …«
Er fühlte, wie er ins Leere stürzte,
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