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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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der alte Mann. »Ich glaube eher, dass Euer Bruder sich versteckt hat, um nicht kämpfen zu müssen.«
    Marion presste die Lippen zusammen und ging nicht auf die Bemerkung ein. Breadalbane hinkte zu einem freien Lehnstuhl und ließ sich hineinfallen. Gequält verzerrte er das Gesicht. Die Dezemberkälte hatte seine Gelenkschmerzen zurückkehren lassen und machte es ihm immer schwerer, sich zu bewegen. Mit zitternder Hand zog er eine kleine Schnupftabakdose aus seiner Tartan-Weste, öffnete sie und schüttete eine kleine Menge auf seinen Handrücken.
    »Dieses Dokument muss wieder her, Marion.«
    Sein kategorischer Ton machte sie stumm. Der alte Mann hielt sich ein Nasenloch zu und schnupfte mit dem anderen das feine schwarze Pulver.
    »Es darf keinesfalls den Royalisten in die Hände fallen. Beten wir, dass es nicht bereits geschehen ist.«
    Mit einem Mal lief sein pergamentartig zerknittertes Gesicht rot an. Marion, die den Anfall kommen sah, erbarmte sich seiner und reichte ihm ein Glas Wasser.
    »Was erwartet Ihr jetzt von mir?«, fragte sie, sobald er sich beruhigt hatte.
    Der Earl wischte sich die tränenden Augen mit seinem spitzengesäumten Taschentuch.
    »Ich will, dass Ihr Euren schrecklichen Fehler wiedergutmacht, Mistress. Im Moment bin ich der Einzige, der weiß, dass dieses Dokument verschwunden ist. Ich hoffe, dass es nicht notwendig sein wird, dem Earl of Mar davon zu berichten, versteht Ihr?«
    »Aber wie stellt Ihr Euch das vor? Wie soll ich meinen Bruder
finden? Er könnte überall in Schottland sein! Vielleicht liegt er ja sogar am Grunde eines Loch!«
    »Er wird sicherlich nicht gewagt haben, den Forth gen Süden zu überschreiten, da dort die royalistischen Truppen Quartier bezogen haben. Durchkämmt die Highlands. Ich gebe Euch Macgregor und seine Männer als Begleitung mit. Sie kennen das Land gut und sollen Euch als Leibwache dienen.«
    Sie verdrehte die Augen zum Himmel. Breadalbane war ihre Miene nicht entgangen, und er lächelt boshaft.
    »Es gibt weit Unangenehmeres, als einige Tage lang mit einer Bande von Macgregors zu reiten, meine Teure. Denkt auch einmal an all diese Männer, deren Namen auf dem Dokument stehen. Ihr Leben hängt vielleicht am seidenen Faden.«
    Plötzlich wurde Marion wieder sehr heiß. Sie sah die Männer vor sich, die ihren Besitz, ihren Titel und ihr Leben für die Sache aufs Spiel setzten, und biss sich von innen auf die Wange. Ihretwegen liefen diese Menschen Gefahr, die »schottische Jungfrau« 28 zu umarmen. Mit einem Mal erschien das rundliche, freundlich lächelnde Gesicht des Earl of Strathmore vor ihrem inneren Auge.
    »Steht Strathmores Name ebenfalls in dem Dokument?«
    Verblüfft sah Breadalbane zu ihr auf.
    »Wie, das wisst Ihr nicht?«
    »Was soll ich wissen?«
    »Strathmore ist auf dem Schlachtfeld gefallen.«
    Einen Moment lang riss sie Mund und Augen auf.
    »Oh!«, stieß sie dann hervor und versuchte, sich ihre Erleichterung nicht anmerken zu lassen. »Er war noch so jung…«
    »Offensichtlich betrübt Euch die Nachricht nicht allzu sehr. Aber sorgt Euch nicht, ich werde schon eine andere gute Partie für Euch finden.«
    Er runzelte die Stirn und strich sich mit einem mageren, verzogenen Finger über die Oberlippe.

    »Apropos«, fuhr er dann mit spöttischem Unterton fort, »wie geht es eigentlich dem jungen Macdonald?«
    »Ähem … Duncan?«
    Das Blut schoss ihr in die Wangen. Breadalbane streckte stöhnend die Beine aus.
    »Derselbe. Wie konnte ich nur seinen Vornamen wieder vergessen? Der Name eines Verräters … Wie ich höre, ist er verwundet worden?«
    »Ihr seid gut informiert. Es geht ihm besser.«
    Er musterte sie aufmerksam und verzog angewidert die schmalen Lippen.
    »Hmmm… Gottes Wege sind wahrhaftig unerforschlich! Ich frage mich oft, ob Er weiß, was Er tut. Er hätte besser daran getan, statt des armen Strahtmore diesen Galgenvogel Macdonald zu sich zu rufen.«
    Er seufzte überdrüssig und zuckte die Achseln. Dann schob er einen Finger unter seine Perücke und kratzte sich mechanisch den Schädel, während er überlegte.
    »Doch Gottes Ratschlüsse stimmen nicht immer mit den unseren überein. Indes…«
    »Ihr solltet Euch schämen, Sir!«, rief Marion. »Ihr wisst genau, dass die Macdonalds sich in dieser Schlacht besonders hervorgetan haben. Ihnen ist es zu danken, dass der Duke of Argyle nicht den Sieg davongetragen hat.«
    »Ja … Wohl wahr, dass ihre wilde und rebellische Art sich gelegentlich als nützlich erweisen

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