Lanze und Rose
um über meine Verwandten zu plaudern«, gab Duncan zurück und nippte dann an dem Whisky, von dem ein starkes Torfaroma aufstieg.
»Er kommt von der Insel Mull«, erklärte der Duke. »Der torfhaltige Boden, durch den das Quellwasser auf der Insel fließt, verleiht ihm ein unverwechselbares Aroma. Dieser hier ist zwanzig Jahre alt. Meiner Meinung nach ist er in diesem Alter am besten. Aber das ist natürlich Geschmackssache, nicht wahr?«
Er presste die Lippen zusammen und prostete seinen Gästen zu.
»Ist Euer Vater eigentlich nach Perth zurückgekehrt, Marion?«, fragte er im Plauderton.
»Er ist aufgebrochen, sobald er Eure Antwort erhalten hatte.«
In der Tat hatte der Laird von Glenlyon dem Duke über dessen Bruder, den Earl of Isny, eine Botschaft zukommen lassen. Fünf Tage hatten sie gewartet. Schließlich hatte einer von Argyles gillies 36 die Antwort nach Chesthill gebracht. Das Treffen sollte in Inveraray stattfinden, und der Duke würde nur Marion sowie eine unbewaffnete Eskorte empfangen.
Natürlich hatten Duncan und Marion sich von den Macgregors begleiten lassen, die sie in einer kleinen Taverne außerhalb
von Inveraray erwarteten. Sie sollten ihren Rückzug sichern, falls der Duke of Argyle beschloss, sich das Dokument auf mehr oder weniger ehrliche Weise zurückzuholen. Duncan hoffte nur, dass Macgregors Männer bei ihrer Rückkehr noch nicht allzu betrunken sein würden. Diese langen Vorreden verdrossen ihn.
»Habt Ihr das Dokument?«, fragte er eilig, um die Sache zu einem Ende zu bringen.
Argyle sah ihn gleichmütig an und biss die Zähne zusammen.
»Ja«, antwortete er ernst und fuhr mit der Hand zu einer seiner Westentaschen. »Ich will Euch nicht verhehlen, dass diese ganze Affäre mich zutiefst irritiert. Ich werde sehr froh sein, wenn sie erledigt ist. Allerdings frage ich mich, was Euren Bruder dazu getrieben haben mag, Euren Vater auf diese Weise zu verraten, Marion.«
Sie erstarrte und hängte sich am Duncans Arm.
»Könnt Ihr das nicht erraten, Sir? Was bringt denn manche Menschen dazu, die eigenen Leute zu verraten? Geld! Mein Vater erstickt in seinen Schulden. John wollte ihm helfen. Seine Absichten waren edel, ich muss jedoch zugeben, dass seine Methoden…«
»Ja, die Schulden…«, murmelte der Duke nachdenklich. »Ich war sehr enttäuscht, dass die Unterschrift Eures Vaters unter der Petition zugunsten von König George fehlte, die im vergangenen August im Clan herumging. Aber Breadalbane hat sich auf die Seite der Jakobiten geschlagen, und da hatte Euer Vater als Vasall des Hauses Glenorchy wohl keine andere Wahl.«
»Mein Vater hat sein Lager mit dem Herzen gewählt, nicht aus Pflichtgefühl.«
Argyle runzelte die Stirn und trank einen Schluck Whisky.
»Die Lairds von Glenlyon sind ihrem König immer treu gewesen, meine Kleine.«
»Das ist er auch. Er steht zu seinem Highlander-Blut und seiner Abstammung.«
Diese Anspielung verstimmte den Duke.
»Meine Teure, es gibt verschiedene Arten, zu seinen Wurzeln zu stehen. Mein Stolz beruht in erster Linie darauf, dass ich MacChailein
Mor bin. Die Herzogswürde ist bloß ein Titel, mit dem einige Privilegien verbunden sind. Gegenüber der Macht kann man nur zwei Haltungen vertreten: Entweder man ergreift sie und bedient sich ihrer, oder man unterwirft sich ihr. Im Interesse meines Volkes und des Namens, den ich trage, habe ich mich für die erste entschieden. Heute nehme ich den höchsten Rang ein, den es in meinem Land gibt; und ich wache darüber, dass die Titel und der Besitz meiner Familie geschützt werden.«
Er schenkte sich einen zweiten Whisky ein und hielt die Flasche über Duncans Glas, doch der junge Mann lehnte das Angebot mit einem Kopfschütteln ab. Der Generalissimus lehnte sich an den Schreibtisch und sah mit ausdruckslosem Blick auf seine Hunde hinunter, die zu seinen Füßen schliefen.
»Ich habe niemals meinen Wurzeln den Rücken gekehrt, ebenso wenig wie meine Vorfahren.«
»Und dennoch hat man den Kopf Eures Großvaters auf eine Lanze gesteckt, wegen Hochverrats an Charles II., der doch ein Stuart war«, entgegnete Duncan.
Der Duke warf ihm einen zornigen Blick zu.
»Man hat ihn hingerichtet, weil er gewissen Personen zu mächtig geworden war. Er hat gezögert, ihm den Eid zu leisten, und das hat man sich zunutze gemacht, um ihn zum Tode zu verurteilen. Doch sein Zögern war darauf zurückzuführen, dass das Gesetz alle Inhaber eines öffentlichen Amtes verpflichtete, die Kommunion nach dem
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