Lanze und Rose
Licht
Langsam vergingen die drei Tage, die Dr. Mansholt bei uns bleiben sollte. Ich betäubte meine Angst, indem ich Beatrix zur Hand ging. Bei drei Hausgästen in ihrer kleinen Kate fiel ein Übermaß an Arbeit an. Den Rest der Zeit verbrachte ich bei Liam, der sein provisorisches Bett noch nicht verlassen hatte. Ich wusch ihn und flößte ihm Fleischbrühe und Kräuterabsude ein. Durch die Aderlasse und die Pflege war sein Zustand zwar stabil, doch es war nicht die geringste Besserung zu erkennen. Das Fieber sank nicht. Ich spürte, dass der Arzt sich inzwischen ernstliche Sorgen machte.
Die wenigen Stunden, die Liam aus seiner Lethargie erwachte, verbrachte er damit, meine Hand zu halten, sie mit dem Daumen zu streicheln und mich schweigend anzusehen. Während der ersten Tage hatte ich noch versucht, mit ihm zu sprechen. Doch seine Antworten beschränkten sich auf ein einsilbiges Brummen. Ich wusste, dass Colins Tod ihm das Herz zerriss, und versuchte, ihn zu trösten. Doch was konnte ich in einer solchen Situation für ihn tun? Und so beschloss ich, sein Schweigen und seinen Schmerz zu teilen, und hoffte, dass meine Anwesenheit ihm ein wenig Trost schenken würde.
Ich sorgte mich auch um Frances. Wir waren noch zu weit von Inverness entfernt, als dass ich mich allein hätte aufmachen können, um sie zu suchen. Außerdem hatte ich Angst, Liam zurückzulassen. Er schwankte zwischen tiefer Apathie und Fieberfantasien, und ich fürchtete, sein Lebenswille könne ganz erlöschen, wenn ich ihn auch nur einen Tag lang verließ.
Ich warf die Rübe, die ich soeben geschält hatte, in die Schüssel und nahm mir die nächste vor. Schweigend dachte ich über meine
verzweifelte Lage nach, als ich hörte, wie Liam sich auf seinem Lager wälzte und im Fieber sprach, und zu ihm stürzte. Trotz der kühlen Luft liefen dicke Schweißperlen über sein bleiches, von dunklen Schatten überzogenes Gesicht. Seine Haut glühte derart, dass ich die Hand nicht darauf liegen lassen konnte.
»Oh mein Gott… Nein! Liam!«
Ich raffte die Röcke und stürmte aus der Kate. Beatrix sah mir verblüfft nach.
»Dr. Mansholt! Dr. Mansholt!«, schrie ich aus vollem Halse.
Draußen war es dunkel. Der Mann tauchte zwischen zwei Bäumen auf und lief so rasch herbei, wie seine Korpulenz ihm das gestattete.
»Was gibt es?«, fragte er keuchend, das Gesicht vor Anstrengung rot angelaufen.
»Es ist mein Mann«, stotterte ich, den Tränen nahe. Er schob mich ins Haus, setzte mich auf einen Stuhl und ging zu Beatrix, die sich bereits über Liam beugte.
»Geh nach draußen und hole Schnee, Bea«, befahl er, nachdem er sich von seinem ernsten Zustand überzeugt hatte. »Wenn es uns nicht gelingt, sein Fieber zu senken, wird es zu einer Konvulsionskrise kommen.«
Vor Entsetzen saß ich wie festgenagelt auf meinem Stuhl und sah zu, wie Beatrix hinausging. Als sie zurückkehrte, trug sie einen ganzen Berg Schnee in ihrer Schürze. Nachdem sie einige Male hin- und hergegangen war, war Liams Körper mit einer dünnen Schneeschicht bedeckt, die mich an ein weißes Leichentuch erinnerte. Als Beatrix ein Kreuz auf seine Stirn zeichnete, erwachte ich aus meiner Erstarrung. Der Gedanke, er könnte sterben, traf mich wie ein Peitschenhieb.
»Was macht Ihr da?«, kreischte ich und sprang auf. »Das könnt Ihr nicht tun! Er ist nicht tot, und er wird auch nicht sterben… Aufhören!«
Ein wenig verschreckt über meinem schroffen Ton wich Beatrix an die Wand zurück. Dr. Mansholt zog mich trotz meiner heftigen Beteuerungen vom Bett fort.
»Kommt, Caitlin. Meine Wissenschaft kann nichts mehr für ihn tun. Geben wir ihn in Beatrix’ und Gottes Hände …«
Ich brach in sarkastisches Gelächter aus.
»Gott? Gott? Er hat mich verlassen!«
Verzweifelt versuchte ich, mich loszumachen, um zu meinem Liebsten zu eilen, der im Sterben lag. Ich wollte ihm sagen, wie sehr ich ihn trotz allem, was er mir angetan hatte, liebte; wollte ihm erklären, dass ich ohne ihn nicht leben konnte. Doch eine eiserne Faust hielt mich zurück. Im Vorübergehen ergriff Dr. Mansholt meinen Umhang und stieß mich energisch aus der Kate.
Ich weinte. Ganze Tränenströme vergoss ich, bis sie versiegten. Ich hätte nicht sagen können, wie lange ich unter den wohlwollenden Blicken des Arztes, der nichts mehr ausrichten konnte, hilflos schluchzte. Und es war mir auch gleich. Nichts war mir wichtig.
»Was soll ich nur ohne ihn anfangen?«
Der brave Mann reichte mir sein Taschentuch, und
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