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Lanze und Rose

Lanze und Rose

Titel: Lanze und Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Marmen
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merkwürdige Gefühl, beobachtet zu werden, drehte mich langsam um und sah in Liams blaue Augen. Er
stand einige Schritte von mir entfernt; sein Blick wirkte aufgewühlt.
    »Geht es dir auch gut?«
    Langsam nickte er, sagte aber kein Wort. Ich wollte schon auf ihn zutreten.
    »Nein, rühr dich nicht!«, rief er plötzlich.
    »Was ist los?«
    »Ich will dich ansehen, a ghràidh . Wie schön du so bist, wenn dein offenes Haar im Wind weht… Das letzte Mal, dass ich dich so gesehen habe, war im Schneesturm; und dann im blutroten Wasser eines Baches.«
    Seine Miene verdüsterte sich.
    »Zuerst habe ich dich für tot gehalten. Das viele Blut im Wasser und auf dem Schnee … Ich habe dich bis zur Straße getragen, zu den Pferden und zu … Colin. Donald war spurlos verschwunden. Sein Pferd habe ich an der Straße zurückgelassen, weil ich hoffte, das er entkommen wäre. Dann habe ich euch beide, Colin und dich, über die Sättel gelegt und mich auf den Weg gemacht, um jemanden zu finden, der dich versorgen würde. Du hast wirre Dinge geredet. So viel unzusammenhängendes Zeug kam über deine Lippen, dass ich ernstlich besorgt war. Doch ich fand kein Bauernhaus, da war nichts als Heide und Wald … Und in diesem verfluchten Sturm konnte ich nichts sehen und bekam keine Luft! Es wurde Nacht, und die Kälte begann mir zuzusetzen. Da habe ich den…«
    »Den Taubenschlag gefunden?«
    »Ja.«
    Hoch aufgerichtet und breitbeinig stand er da, die Hände im Rücken verschränkt.
    »In dieser Nacht, kurz vor dem Einschlummern«, fuhr er fort und trat einige Schritte auf mich zu, »da habe ich wirklich gedacht, um uns sei es geschehen. Du wirst sie auf dieselbe Weise verlieren wie Anna. Sie wird erfrieren, sagte ich mir. Ich hatte nicht einmal etwas zum Feuermachen. Doch irgendwie war ich nicht traurig, denn ich wusste, dass ich dir bald auf die andere Seite folgen würde.«
    Er kam noch näher; in der Kälte knackte seine Lederweste.

    »Aber jetzt bist du hier, direkt vor mir. Und ich…«, sagte er zutiefst bewegt.
    Der Schnee knirschte unter den letzten Schritten, die uns jetzt noch trennten. Ich hielt den Atem an, als er mit dem Finger den Umriss meines Mundes nachfuhr und ihn liebevoll betrachtete.
    »Oh, a ghràidh «, flüsterte er, von Zärtlichkeit übermannt, leise. »Und ich weile immer noch auf dieser Welt…«
    Langsam glitten seine Finger in mein Haar und dann auf meinen Nacken. Sanft zog er sich an mich. Mein Herz setzte einen Schlag aus, und ich schloss die Augen. Sein Mund legte sich auf meine Lippen. Ich ließ zu, dass er mich unter meinem Umhang streichelte, und ergab mich dem lange unterdrückten Begehren, das in mir aufstieg und mich zittern ließ. Herrgott! Es war so lange her … Liam rückte ein wenig von mir ab, um wieder zu Atem zu kommen.
    »Ich liebe dich so sehr…«
    »Ich liebe dich auch, Liam. Ich hatte solche Angst, dich zu verlieren…«
    Er drückte mich fest an sich und küsste mich noch einmal, leidenschaftlicher jetzt. Dann sah er mich an, ein rätselhaftes Lächeln auf den Lippen.
    »Komm, gehen wir zurück.«
    Ein letztes Mal blieben wir vor dem Hügelgrab stehen.
    »Wir werden Colin vermissen«, sagte ich leise und drückte seine Hand.
    »Ja. Wusstest du, dass er dich immer noch geliebt hat?«
    »Ich habe es gewusst. Wahrscheinlich ist er glücklicher dort, wo er jetzt ist.«
    »Ja, das denke ich auch. Wenigstens ruht er in schottischer Erde. Das war das Einzige, das er bedauert hat, als er daran dachte fortzugehen: dass er nicht auf der Eilean Munde begraben werden würde. Im Frühling komme ich zurück und hole ihn nach Hause.«
    Bei unserer Rückkehr fanden wir die Kate verlassen vor. Auf dem Tisch hatte Beatrix eine Nachricht hinterlassen: Bin beim alten Guthrie, Gicht behandeln. Kalter Schinken und Whisky sind noch
da. Komme morgen Vormittag zurück. Holt die verlorene Zeit auf. Alles Liebe, Beatrix.
    Lange sah ich nachdenklich auf die Botschaft. Die verlorene Zeit aufholen… Mit einem Mal stieg Angst in mir auf. Würde ich das fertigbringen? Taktvoll hatte Beatrix sich eine Ausrede einfallen lassen, um ein paar Stunden zu verschwinden und uns die Kate zu überlassen. Ich sah zu Liam auf, der wartend dastand.
    »Sie ist bei einem Kranken und wird erst morgen Vormittag zurückkehren.«
    Sein Kiefer arbeitete, doch seine Miene blieb unergründlich. Gewiss dachte er dasselbe wie ich.

    Wir saßen auf der Bank vor dem Kamin. Zwischen uns herrschte eine gewisse Verlegenheit; wie zwischen

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