Lanze und Rose
bestrebt, die Monarchie zu schützen. Einen Bauern für den König zu opfern … Erneut erschallt das dämonische Gelächter und lässt Gott, der mit einem Mal erkennt, dass Ihm weniger Spielfiguren verbleiben als Seinem schrecklichen Gegner, das Blut gefrieren. Ihm ist heiß, und Er wird unruhig. Das Böse gewinnt an Boden …
»Lasst uns ein neues Spiel beginnen«, schlägt der Teufel vor und dreht den Tisch um seine Achse, worauf zwischen den beiden ein neues Spielbrett erscheint. »Das britische Imperium beginnt mich zu langweilen. Wie wäre es mit dem preußischen Reich? Falls Ihr nicht Amerika vorzieht …«
Wurde so über das Geschick der Welt entschieden?
Mein Pferd machte einen Schlenker. Sein Huf war auf einer von einer dünnen Schneeschicht verborgenen Eispfütze weggerutscht. Ich warf einen Blick nach links. Frances ritt schweigend und in ihre furchtbaren Erinnerungen versunken dahin. Wir waren jetzt den fünften Tag unterwegs. Ich fühlte mich erschöpft und leer. So langsam wurde ich zu alt für solche Eskapaden. Liam meinte, dass wir noch einen Tag brauchen würden, um die Küste und Stonehaven zu erreichen.
»Ich habe ihn umgebracht.«
Ich fuhr im Sattel hoch und wandte mich erschrocken zu Frances. Sie hielt den Blick starr auf den Sattelknauf gerichtet und wickelte sich unruhig die Zügel um die Handgelenke.
»Was sagst du?«
»Er ist meinetwegen gestorben«, erklärte sie untröstlich.
»Trevor?«
Sie gab keine Antwort.
»Er hat einen Soldaten getötet, Frances…«
»Nein«, versetzte sie trocken.
Sie sah mich gequält an.
»Ich habe ihn erschossen.«
Entsetzt riss ich Mund und Augen auf. Liams angespannter Schenkel streifte mich.
»Erzähl es mir.«
Über meine Schulter hinweg sah sie ihren Vater an.
»Ich hatte mich in einem Dickicht versteckt«, begann sie. »Trevor hatte sich dem Konvoi genähert, der angehalten hatte.«
Verächtlich verzog sie den Mund.
»Diese Schwachköpfe hatten nicht einmal daran gedacht, jemanden abzustellen, der das Ende des Konvois bewachte. Trevor hatte sich an den letzten Wagen geschlichen. Er hatte die Plane lösen können, mit der er abgedeckt war, und wühlte darunter herum, als einer der Soldaten an den Straßenrand trat, um sich zu erleichtern. Trevor konnte ihn nicht sehen, ich schon. Aber ich konnte ihn nicht warnen, ohne die ganze Truppe in Aufruhr zu versetzen. Trevor war nur mit seinem Dolch und seiner Pistole bewaffnet; das Jagdgewehr hatte er mir gelassen.«
Sie legte eine Pause ein und streichelte zerstreut die Mähne von Colins Pferd.
»Er hatte den Soldaten nicht gesehen. Der andere hat vielleicht ein Geräusch vom hinteren Teil des Karrens gehört… Als er sich Trevor näherte, bin ich… in Panik geraten.«
Dieses Mal schwieg sie lange. Erinnerungen zogen vor ihren feuchten Augen vorüber. Liam und ich blieben stumm. Dies war das erste Mal, dass sie über das folgenschwere Missgeschick der beiden sprach. Natürlich hatten wir versucht, sie zu ein paar Auskünften zu bewegen, doch sie war dem Thema stets ausgewichen, und wir hatten ihr Schweigen geachtet. Irgendwann würde sie reden, hatte ich mir gesagt, wenn sie bereit dazu war.
»Ich bin mit dem Gewehr aus dem Gebüsch gesprungen und den Hügel hinuntergerannt. Es war dunkel; eine mondlose Nacht.
Der Schnee hat meine Schritte gedämpft. Ich wollte ihn nicht töten, sondern nur Trevor vor der Gefahr warnen. Aber … der Soldat hat ihn vor mir erreicht. Er hatte sein Schwert bereits gezogen.«
Sie zog die Brauen zusammen und schaute bekümmert drein.
»Instinktiv habe ich die Waffe hochgerissen. Vor Panik war ich ganz aufgelöst. Ich wusste, dass der Soldat zuschlagen würde, und ich konnte nicht schreien… Ich… ich habe dann geschossen.«
Ich schloss die Augen, um meine Tränen zu unterdrücken. Ein winziger Augenblick reicht, um eine unwiderrufliche Tat zu begehen, die man sein ganzes Leben lang bereuen wird.
»Der Soldat ist gefallen«, fuhr sie fort; immer noch, als spreche sie zu ihren Erinnerungen. »Natürlich hat der Schuss die Truppe alarmiert, die sich sogleich auf uns gestürzt hat. In diesem Moment hat Trevor wohl die Idee gehabt, mir das Gewehr aus den Händen zu reißen.«
»Herrgott!«, murmelte Liam zu meiner Rechten. »Und deswegen hat man ihn des Mordes angeklagt. Er wollte dich schützen, Frances.«
Sie nickte langsam und zog geräuschvoll die Nase hoch.
»Zuerst habe ich nicht verstanden, warum er das getan hat. Ich dachte, er sei zornig auf
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